In der zweiten Jahreshälfte müssen die Bundestagsfraktionen wohl etwas kürzertreten, was Dienstreisen angeht.© Watson
Ursprünglich sollte das geplante Heizungsgesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden. Das wurde kurzfristig vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. Grund dafür war ein Antrag des CDU-Politikers Thomas Heilmann, der seine Rechte als Abgeordneter verletzt sah, weil er sich nicht ausreichend mit dem Gesetzentwurf beschäftigen konnte.
Eine Sondersitzung in der Sommerpause ist jedoch auch nicht vorgesehen, weshalb die Abgeordneten nun ab September in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode darüber abstimmen werden. Üblich ist es, dass die Abgeordneten in der Zwischenzeit in Urlaub fahren.
Ab September dürften Reisen allerdings seltener auf der Tagesordnung stehen – auch wenn es welche aus Dienstgründen sind. Denn der Etat für Dienstreisen ist fast aufgebraucht. Die Reisetätigkeiten dürften stark eingeschränkt werden müssen.
Gründe für vorzeitigen Mittelaufbrauch fragwürdig
Bereits am 25. Mai schrieb Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in einem Fax an die Fraktionen, dass die vorgesehenen Haushaltsmittel zur Erstattung der Kosten von Einzeldienstreisen in diesem Jahr "unter Berücksichtigung der bereits genehmigten, aber noch nicht angetretenen Reisen ausgeschöpft" seien. An sie gerichtete Anträge auf Einzeldienstreisen könnte Bas grundsätzlich nicht mehr genehmigen.
Für 2023 waren im Bundeshaushalt 4,14 Millionen Euro für die Reisekasse des Parlaments eingeplant: 763.000 Euro für Einzeldienstreisen, 2.812.000 Euro für Delegationsreisen der Ausschüsse und 567.000 Euro für Delegationsreisen der Parlamentariergruppen. Damit übersteigen die Reisekosten des laufenden Jahres die der Jahre zuvor deutlich.
Das liegt allerdings auch daran, dass die Corona-Pandemie in weiten Teilen nur noch wenige Reisen zuließ.
Als Außenministerin reist Annalena Baerbock (Grüne) viel.© Watson
Die Verwaltung gibt allerdings keine Auskünfte darüber raus, welche:r Abgeordnete wie viel geflogen ist. Die "Süddeutsche Zeitung" hat bei den Bundestagsfraktionen nachgefragt und teils fragwürdige Antworten erhalten.
Die Linksfraktion etwa schiebt es auf die Corona-Pandemie: "Zusätzlich zum üblichen Reiseaufkommen haben unsere Abgeordneten einige Reisen nachgeholt, die in der Corona-Pandemie ausgefallen sind", teilt Jan Korte von der Linksfraktion der "SZ" mit.
Die Unionsfraktion könne, laut ihrer parlamentarischen Geschäftsführerin Nina Warken, "zu den Gründen für den vorzeitigen Mittelaufbrauch nur spekulieren".
Laut der FDP-Fraktion liege der vorzeitige Mittelaufbrauch "insbesondere an den erheblich gestiegenen Preisen bei den Reisedienstleistungen", wie der parlamentarische Geschäftsführer Torsten Herbst mitteilt.
Konkrete Zahlen zu Dienstreisen? Fehlanzeige
Der "Bericht über die internationalen Aktivitäten und Verpflichtungen des Deutschen Bundestages" wird alle zwei Jahre erstellt. Der letzte ist allerdings – coronabedingt – von 2019. Brisant: Damals kam heraus, dass die Grünen pro Kopf die Vielflieger des Parlaments waren.
An dem aktuellen Bericht arbeitet die Bundestagsverwaltung derzeit. Er soll im Herbst dieses Jahres vorliegen.
Die "SZ" hat allerdings auch hier die Bundestagsfraktionen angefragt, wie viele Dienstreisen denn konkret unternommen worden seien. Die Antworten: ernüchternd.
Bei den Grünen hieß es, die Fraktion führe keine Statistik. Die SPD wollte keine Auskunft geben und habe der "SZ" nur für das Verständnis gedankt. Und die Union wich der Frage ganz aus. Die AfD war die einzige Fraktion, die gar nicht auf die Anfrage der Zeitung reagierte.
Auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist viel unterwegs. Sprengen die Grünen den Etat?© Watson
Dafür nannten die FDP und die Linke konkrete Zahlen: Auf die 39 Abgeordneten der Linksfraktion fielen 14 Einzeldienstreisen, bei den 92 Abgeordneten der FDP waren es bisher 63.
2019 brachten es 709 Abgeordnete auf 347 Einzeldienstreisen – also 0,49 pro Bundestagsmitglied. Die FDP liegt damit verglichen im ersten Halbjahr 2023 etwas darüber (0,68) und die Linke leicht darunter (0,36).
Damit liegt der Schluss nahe, dass die anderen vier Fraktionen der Nachfrage der "SZ" nicht ohne Grund auswichen. Gespannt kann also der diesjährige Bericht der Verwaltung erwartet werden, um zu klären, welche Fraktion in diesem Jahr die Vielflieger des Parlaments sein wird.