Über Polen eingereiste Migranten in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt. dpa© dpa
In Deutschland fehlen viele Arbeitskräfte, andererseits beziehen 587.000 erwerbsfähige Zuwanderer etwa aus Syrien, Afghanistan und Irak Bürgergeld. Gesamtkosten pro Monat: rund 436 Millionen Euro. Die CDU fordert nun eine Arbeitspflicht für diese Menschen.
Wer sich die Mühe macht, die zahlreichen Tabellen im jüngst erschienenen „Migrationsmonitor“ der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu durchforsten, stößt auf interessante Fakten.
Etwa auf die Zahl der erwerbsfähigen Menschen aus „Asylherkunftsländern“ wie Syrien und Afghanistan, die Bürgergeld beziehen (Regelsatz 502 Euro), früher Hartz IV genannt.
Im März 2023 waren das exakt 587.006 Männer und Frauen.
Sie erhielten in dem Monat insgesamt 436 Millionen Euro Bürgergeld, durchschnittlich also 743 Euro. Darin enthalten sind Barauszahlungen bzw. Überweisungen sowie die Kosten der Unterkunft, wie die BA auf Anfrage von FOCUS online bestätigte.
Bürgergeld für anerkannte, arbeitsfähige Asylbewerber
Der Großteil dieser Bürgergeld-Empfänger ist in den vergangenen Jahren nach Deutschland geflüchtet und hat Asyl erhalten, einige sind hier geboren. Alle haben ein Aufenthaltsrecht und erfüllen die gesetzlichen Voraussetzungen, um Bürgergeld zu erhalten.
Zum Verständnis: Die 587.006 betroffenen Bürgergeld-Empfänger gelten als „erwerbsfähig“, könnten also grundsätzlich mindestens drei Stunden am Tag arbeiten. Für manche von ihnen scheidet das objektiv aus, etwa weil sie gerade einen Integrationskurs belegen oder ihre Kinder betreuen müssen.
Der überwiegende Teil der Gruppe – insgesamt 467.074 anerkannte Asylbewerber – wird in der Statistik jedoch als arbeitslos geführt. Diese Menschen könnten also „sofort eine Beschäftigung aufnehmen“, so Christian Ludwig, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, gegenüber FOCUS online.
87 Prozent der Arbeitslosen haben keinen Berufsabschluss
Dass dies nicht geschieht, hat verschiedene Gründe. So dürfte eine Rolle spielen, dass viele anerkannte Flüchtlinge kein oder nur wenig deutsch sprechen. Manche dürften auch an behördlichen Auflagen oder bürokratischen Hürden scheitern. Nicht wenige sind schlichtweg noch zu unqualifiziert, um bestimmte Jobs zu machen.
Laut dem „Migrationsmonitor“ der BA haben 87 Prozent der arbeitslosen Menschen aus den Asylherkunftsländern keinen Berufsabschluss. Gerade mal 4,3 Prozent absolvierten eine schulische oder betriebliche Ausbildung. Und lediglich 7,3 Prozent verfügen über einen akademischen Abschluss.
Dass Hunderttausende erwerbsfähige Zuwanderer Bürgergeld erhalten, ohne vom Staat in die Pflicht genommen zu werden, halten führende Politiker der CDU für nicht länger hinnehmbar. Sie fordern eine Arbeitspflicht für anerkannte Flüchtlinge.
CDU-Experte Throm: „Arbeit ist Schlüssel zur Integration“
Alexander Throm, Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte zu FOCUS online: „Deutschland hat mehr als eine Million Asylmigranten aufgenommen und geschützt, auf diese Leistung können wir stolz sein.“
Allerdings dürfe es nicht sein, dass trotz des enormen Bedarfs an Arbeitskräften „nach wie vor fast jeder zweite Zuwanderer aus den Asylherkunftsländern Sozialhilfe bezieht“. Throm: „Diese Menschen müssen wir schnell in den Arbeitsmarkt bringen. Arbeit ist der Schlüssel zur Integration.“
Der Innenexperte schlägt deshalb vor: „Anerkannte Asylbewerber sollten verpflichtend bei gemeinnützigen Tätigkeiten eingebunden werden, solange sie noch keinen Arbeitsplatz haben.“ Als Beispiele nennt der Christdemokrat „Pflege- und Gartenarbeiten in öffentlichen Grünanlagen, Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten in Gemeinden oder Aufgaben in der Jugend-, Kranken-, und Altenhilfe“.
Mit seinem Vorstoß für verpflichtende Integrationsdienste mit gemeinnützigen Tätigkeiten steht Throm nicht allein da.
Der Staat darf nicht nur fördern, er muss auch fordern
Erst kürzlich verabschiedeten Landrätinnen und Landräte aus Baden-Württemberg eine Resolution mit gleicher Stoßrichtung. Sie sieht vor, Schutzsuchende dazu zu verpflichten, Arbeit anzunehmen, gegebenenfalls auch in gemeinnützigen Bereichen.
„Es wäre uns Landkreisen – auch mit Blick auf die dringend benötigte gesellschaftliche Akzeptanz – wichtig, dass Geflüchtete rasch in Arbeit kommen, hilfsweise auch in gemeinnützige“, so der Präsident des Landkreistags Joachim Walter (CDU). Es müsse „ohne ideologische Scheuklappen hinterfragt werden, ob das deutsche Sozialrecht bei den Geflüchteten immer die richtigen Anreize setzt“.
Ähnlich sehen das viele Gemeinden in Baden-Württemberg. „Unser Sozialstaat hilft denen, die Hilfe brauchen. Der Staat muss jedoch erwarten dürfen, dass jeder Einzelne dann auch im Rahmen seiner Möglichkeiten zum Gelingen der Gesellschaft beiträgt – beispielsweise auch über eine gemeinnützige Arbeit“, erklärte Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte unterdessen „ein neues Leistungssystem für Flüchtlinge, das unterhalb des Bürgergeldes anzusiedeln ist“. Dobrindt sprach sich für „eine stärkere Mitwirkungspflicht der Asylbewerber“ aus. Für sie müsse es ein Arbeitsangebot geben, das „Teil einer Integrationsleistung ist“. Wer die Arbeit verweigere, müsse mit Leistungskürzungen rechnen, so Dobrindt.
Kritik an Rufen nach Arbeitspflicht für Flüchtlinge
Kritik an den Rufen nach einer Arbeitspflicht kommt unter anderem vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Die Forderung verkenne die rechtliche und tatsächliche Situation vieler Betroffener und erwecke fälschlicherweise den Eindruck, geflüchtete Menschen wollten nicht arbeiten. Einschränkungen durch Wohnsitzauflagen machten eine Arbeitsaufnahme oft unmöglich. Ausländische Bildungsabschlüsse würden zu wenig anerkannt. Ausreichende Deutschkenntnisse fehlten oft.
Die Landtags-SPD in Baden-Württemberg meinte, dass der Vorschlag der Kreise angesichts des „behördlichen Schwergangs“ kaum umzusetzen sei. „Menschen wollen arbeiten, aber sie müssen lange auf die Erlaubnis warten“, so Innenexperte Sascha Binder.
Die Behörden schafften es bereits jetzt kaum, Verfahren in angemessener Zeit abzuarbeiten. „Wer jetzt fordert, sie sollten eine allgemeine Arbeitspflicht überwachen und umsetzen, darf gerne erklären, woher die Kapazitäten kommen sollen.“
Throm kontert die Kritik: „Die Argumente von Flüchtlingsrat und dem SPD-Abgeordneten Binder gehen schlicht an der Rechtslage und der Realität vorbei. Alle anerkannten Flüchtlinge dürfen arbeiten, alle anderen grundsätzlich nach drei Monaten. Tatsächlich sind aber eine Vielzahl der anerkannten Flüchtlinge auch noch nach Jahren Bürgergeldbezieher ohne Arbeit. Dies gilt es zukünftig zu verhindern.“