KRISENGESPRÄCH IM RATHAUS VON MIESBACH
Bürgermeister funkt SOS nach Berlin: „Unser System mit den Flüchtlingen kollabiert“
Die Lage ist ernst: Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller (l.) hat Bundestagsabgeordnetem Alexander Radwan die Folgen der Flüchtlingsmassen geschildert und hofft auf Hilfe aus Berlin.© Thomas Plettenberg
Weil die Lösungen auf kommunaler Ebene ausgereizt sind, richtet sich jetzt der Blick nach oben, nach Berlin. Dazu gab es gestern im Miesbacher Rathaus ein Krisengespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan. Das Ziel: Weniger Flüchtlingszuweisungen für den Landkreis.
Miesbach – Der Widerstand in der Bevölkerung wächst. Diese Botschaft hat Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller (CSU) dem Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan mit auf den Weg nach Berlin gegeben. Der CSU-Kreisvorsitzende aus Rottach-Egern soll dort die Erfahrungsberichte aus seinem Wahlkreis in die verschiedenen Gremien einbringen und so dazu beitragen, dass sich die Lage auf der untersten Ebene – bei den Kommunen – möglichst zeitnah entspannt.
Besonderer Druck durch den Wohnungsmarkt
Und mit dem Abschluss des Anerkennungsverfahrens sei die Drucksituation für die Stadt noch nicht vorbei. Denn anerkannte Asylsuchende müssen als sogenannte Fehlbeleger die Unterbringung räumen, um Platz für neue Flüchtlinge zu machen. Das bekannte Problem dabei: Wohin sollen sie dann gehen, wenn sie keine Wohnung finden? Dann muss die Stadt eine Unterkunft stellen, die sie nicht hat.
Problemfeld Schule
Ein weiteres Problemfeld ist laut Braunmiller die Schule. Während Ukrainer drei Monate Karenzzeit hätten, bis die Schulpflicht greife, müssten die Kinder der übrigen Flüchtlinge umgehend beschult werden. Hier sei die Bereitschaft der Eltern mitzuwirken nicht so stark ausgeprägt – angefangen schon dabei, kranke Kinder bei der Schule abzumelden. Unmut wachse bei der Lehrerschaft, die durch die Integration in den Klassen ebenfalls belastet seien.
Helferkreis funkt SOS
Auch aus dem Helferkreis wird SOS gefunkt. „Die Bereitschaft zur Mitarbeit sinkt“, hat Braunmiller festgestellt. „Wir bekommen Hinweise, dass das alles nicht mehr funktionieren.“ Man sei in Miesbach bei der Integration am Limit.
Radwan nimmt viele Informationen aus der Gesprächsrunde im Rathaus mit: „Mein Eindruck ist, dass die Verantwortlichen wollen, aber sie sind nun am Rand der Leistungsfähigkeit angekommen.“ Auch die Lehrer seien grundsätzlich bereit, Flüchtlingskinder zu unterrichten. Umso mehr müsse man die Botschaft, dass es so nicht weitergehen könne, ernst nehmen. Radwan: „Wir wollen ein Land sein, das anderen Menschen hilft.“ Aber man sei nun an einem Punkt, an dem man etwas ändern müsse.
Kampf gegen Schleuser
Als guten Schritt wertet Radwan das Migrationsabkommen, das die Europäische Union (EU) nun mit Tunesien abgeschlossen hat. Generell müsse es das Ziel sein, „dem dreckigen Geschäft der Schleuser die Grundlage zu entziehen“. Denn dass viele Flüchtlinge frustriert seien, liege auch an den bewusst falschen Versprechungen wie „ein Haus und Geld“, die man Flüchtlingen mache, um sie zu teuren Überfahrten zu bewegen. „Früher wären solche Abkommen nicht möglich gewesen“, sagt Radwan. Nun müsse man den Weg fortsetzen und auf andere Staaten wie Marokko und Ägypten erweitern. Denn Abschiebungen seien vergleichsweise schwer.
„Das System kollabiert“
Auf kommunaler Ebene sei es unabhängig davon wesentlich, unabhängig vom Königsteiner Schlüssel – den der Landkreis nicht erfüllt – auf „regionale Gegebenheiten zu achten“, betont Braunmiller. „Und das ist beispielsweise fehlender Wohnraum.“ Sein Appell: „Wir müssen jetzt Druck rausnehmen, damit unser System nicht kollabiert. Wir müssen den Zustrom steuern.“ Mit Radwans Hilfe von Berlin aus.