Migration
Asyl in Europa: Droht Wildwest an den EU-Grenzen?
Szene vom Mai: Flüchtlinge aus Irak und Syrien versuchen von Belarus aus, nach Polen zu kommen.© IMAGO/ZUMA Wire
Ein Bündnis europäischer Menschenrechtsgruppen warnt vor der neuen Krisenverordnung zu Flucht und Asyl. Doch ist offen, ob die Mitgliedsstaaten sich überhaupt einigen können.
Noch mehr Willkür, Haft und Schutzlosigkeit, noch weniger Rechtsstaatlichkeit im Umgang mit Geflüchteten an den EU-Außengrenzen: Das könnte drohen, wenn die EU-Mitgliedsstaaten sich auf eine Art Notfallverordnung einigen, die sie derzeit debattieren. Dagegen wendet sich ein Bündnis von mehr als 60 großen europäischen Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen mit einem Appell, der an diesem Freitag veröffentlicht wird. Unterzeichnet haben etwa der Europäische Flüchtlingsrat (ECRE), Human Rights Watch, Danish Refugee Council, Pro Asyl und kirchliche Verbände.
Die jetzt geplante Verordnung ist gedacht für Situationen, in denen in kurzer Zeit sehr viele Geflüchtete in die EU wollen. Dahinter stehen etwa Erfahrungen an der Ostgrenze vor knapp zwei Jahren, als Belarus Tausende Flüchtlinge zur EU-Grenze brachte, um Druck auszuüben. Ähnliches erlebte Griechenland an der Landgrenze zur Türkei.
Die jetzt geplante Verordnung allerdings, so die Kritik der NGOs, definiere „nur vage oder gar nicht“, wann eine Krise oder „Instrumentalisierung“ vorliegt. Mit ihr drohten somit „erhebliche negative Folgen für die Grundrechte“ der Geflüchteten: Die Staaten könnten unter anderem den Zugang zu Asylverfahren einschränken, Pushbacks ausweiten, deutlich mehr Menschen für die Zeit ihres Verfahrens inhaftieren, „einschließlich unbegleiteter Kinder und Familien“. Toleriert würden zudem mangelhafte Unterbringung und Gesundheitsversorgung, „die die Schwelle der Menschenwürde unterschreiten“. Wildwest an den EU-Außengrenzen?
Freibrief für Alleingänge
Die Unterzeichnenden des Appells warnen, mit der Verordnung breche die EU die Genfer Flüchtlingskonvention und die Kinderrechtskonvention. Zudem höhle sie das Gemeinsame Europäische Asylsystem aus, weil sie die Schwelle zu Alleingängen einzelner Staaten niedrig lege.
Ob das Regelwerk aber beschlossen wird, ist derzeit offen. Nach Informationen von Pro Asyl hat die derzeitige spanische Ratspräsidentschaft das Ziel, dass es noch im Juli beschlossen werden soll. Bedenken gegen die massiven Einschnitte hat demnach aber unter anderem Deutschland, während sie Polen, Ungarn und Bulgarien nicht weit genug gehen.