Willkommen in Hannover: Geflüchtete aus der Ukraine laufen durch die Eingangshalle vom Messebahnhof Laatzen.© dpa
Etwas bessere Deutschkenntnisse, eine eigene Wohnung, ein Kitaplatz für die Tochter oder den Sohn: Ukrainische Geflüchtete kommen nach und nach in ihrem neuen Leben in Deutschland an. Wie gut und schnell das gelingt, hängt allerdings stark von der familiären Situation ab. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Längsschnittbefragung mehrerer Forschungsinstitute hervor. Das Zwischenfazit sei „durchaus ermutigend“, sagte Markus Grabka, Direktoriumsmitglied des Sozio-oekonomischen Panels im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). „Die gesellschaftliche Teilhabe hat zuletzt deutliche Fortschritte gemacht.“
Dass viele Geflüchtete einen Sprachkurs besuchen, werten die Wissenschaftler als gutes Zeichen. Es helfe den Ukrainerinnen und Ukrainern nicht nur, sich zurechtzufinden und soziale Kontakte zu knüpfen, sondern sei auch entscheidend für eine erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt. Migrationsforscher und die Bundesagentur für Arbeit hatten früh das Ziel ausgegeben, dass die Geflüchteten aus der Ukraine – von denen sehr viele einen Hochschulabschluss haben – möglichst entsprechend ihrer Qualifikation in Arbeit vermittelt werden sollten.
18 Prozent sind erwerbstätig – kaum mehr als im Herbst
Weil das Deutschlernen dauert, haben bisher erst wenige ukrainische Geflüchtete Arbeit gefunden. Nach der Befragung, an der neben dem DIW auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung sowie das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beteiligt sind, waren es zu Jahresanfang 18 Prozent der Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter – nur ein Prozentpunkt mehr als im Herbst. Von ihnen übten jeweils knapp 40 Prozent eine Voll- oder Teilzeittätigkeit aus. 18 Prozent hatten einen Minijob, 5 Prozent machten eine Ausbildung, 2 Prozent ein Praktikum. Der ersten Befragung zufolge ist das Jobspektrum groß. Damals war etwa ein Fünftel in Berufsgruppen mit einem eher niedrigen Qualifikationsniveau wie dem Reinigungsgewerbe oder der Gastronomie tätig. Ähnlich viele hatten Arbeit in Bereichen gefunden, die ein hohes Qualifikationsniveau voraussetzen: zum Beispiel in Forschung und Lehre oder der Softwareentwicklung.
Die gute Nachricht lautet: Von denen, die noch keine Arbeit haben, will der größte Teil eine Erwerbstätigkeit aufnehmen – und das in der Regel eher bald. Neben den Sprachkenntnissen gilt dabei vor allem die Kinderbetreuung als Knackpunkt. Wie die Forscher zeigen, gehen inzwischen zwar fast alle schulpflichtigen Kinder aus der Ukraine hierzulande in eine allgemein- oder berufsbildende Schule, zugleich besuchte aber nur jedes zweite geflüchtete Kind bis einschließlich sechs Jahre eine Kindertagesbetreuung. Andreas Ette vom Bundesinstitut für Berufsbildung betonte, wie wichtig ein ausreichend großes Angebot an Kitaplätzen sei. Nicht nur für die Eltern, um Sprachkurse besuchen und arbeiten zu können, sondern auch für die Kinder – um einen strukturierten Alltag zu haben, die Sprache zu lernen und Freunde zu finden.
Tatsächlich zeigen die Befragungsergebnisse, dass geflüchtete Mütter mit jüngeren Kindern viel langsamere Fortschritte machen als andere Gruppen. Sie weisen niedrigere Deutschkenntnisse auf, haben bislang seltener einen Sprachkurs besucht und sind nur zu einem sehr geringen Anteil von 3 Prozent erwerbstätig. Unter Vätern mit Kleinkindern, die in der Regel mit ihrer Partnerin in Deutschland leben, ist es hingegen fast ein Viertel. Dem Bericht zufolge lebt die Hälfte der geflüchteten Frauen aus der Ukraine im erwerbsfähigen Alter mit einem minderjährigen Kind zusammen, oft sind diese im Vorschulalter. Insgesamt sind seit Kriegsbeginn mehr als eine Million Menschen nach Deutschland gekommen.
Wie geht es nun weiter? Yuliya Kosyakova vom IAB mahnte am Mittwoch, die Integration der Ukrainerinnen und Ukrainer sei „kein Selbstläufer“. Die Geflüchteten brauchten Planungssicherheit, ob sie langfristig in Deutschland bleiben dürften. Das sei etwa mit Blick auf das Erlernen der deutschen Sprache auch wichtig für die Motivation. Hintergrund ist, dass noch offen ist, ob das in der Europäischen Union derzeit bis März 2024 befristete Aufenthaltsrecht für Ukrainerinnen und Ukrainer verlängert wird. Wie die Befragung zeigt, will knapp die Hälfte der Geflüchteten aus der Ukraine für immer oder zumindest noch einige Jahre in Deutschland bleiben. Dieser Anteil ist seit der ersten Befragung etwas größer geworden. Etwa ein Drittel will zumindest bis Kriegsende bleiben, ein knappes Viertel weiß es noch nicht.