Eine Bürgerinitiative sträubt sich gegen die Unterkunft für junge Geflüchtete in Kriebethal. Integrationsministerin Petra Köpping will mit den Protestierern ins Gespräch kommen. Ob das gelingt, ist noch ungewiss.
Ministerin Petra Köpping (2.v.r.) bei einer Gesprächsrunde in Kriebethal unter anderem mit Peggy und René Illig vom DRK, Bürgermeisterin Maria Euchler, Landrat Dirk Neubauer und Staatsminister Sebastian Vogel (v.l.). © SZ/DIetmar Thomas© SZ/DIetmar Thomas
Kriebethal. Wochen, bevor überhaupt ein Flüchtling in den 300-Seelen-Ort Kriebethal kam, formierte sich Widerstand. Eine Bürgerinitiative gründete sich, sammelte 260 Unterschriften, um die Einrichtung der Inobhutnahmestelle - wie es im Amtsdeutsch heißt - zu verhindern. Vertreter der Freien Sachsen und der AfD organisierten Protestkundgebungen, die Linken Gegendemonstrationen.
Ungeachtet dessen wohnen seit dem 6. Februar zwölf unbegleitete minderjährige Asylbewerber (umA) im ehemaligen DRK-Altenpflegeheim in Kriebethal. Das hat sich Petra Köpping (SPD) in ihrer Funktion als sächsische Integrationsministerin am Mittwoch angeschaut.
Ministerin kündigt Treffen mit Bürgern an
Täglicher Deutschunterricht
Wie Betreuerin Peggy Illig erklärte, sind die jungen Ausländer in Ein- und Zweibettzimmern untergebracht. Für diese Regelung habe sich das DRK entschieden, weil es Jugendliche gibt, die Angst haben, allein zu übernachten. Frühstück, Mittagessen und Abendbrot werden gemeinsam zubereitet. Täglich seien zwei Jugendliche dafür eingeteilt, das Mittagessen vorzubereiten. "Dazu gehört auch, dass sie Kartoffeln schälen oder Nudeln kochen - alles, was sie später auch können müssen", so Peggy Illig. Am Vormittag stünde individueller Unterricht auf dem Programm. "Deutsch üben wir quasi den ganzen Tag über. Die Sprache wird auch in Gesprächen gefördert", so die Betreuerin. Nachmittags gebe es Gruppenangebote.
Helferkreise unterbreiten Angebote
Inzwischen haben schon mehrere Helferkreise ihre Unterstützung angeboten, unter anderem der Kreissportbund Mittelsachsen, der mit den Kindern Fußball spielen will, und die Kirchgemeinde Waldheim-Geringswalde. Die Angebote sollen demnächst greifen.
"In Kriebethal ist es zurzeit ruhig", sagte Bürgermeisterin Maria Euchler nach der Stimmung in dem Kriebsteiner Ortsteil befragt. "Ich denke, das DRK leistet eine gute Arbeit und die Betreuung klappt." Sie machte aber keinen Hehl daraus, dass es nach wie vor "in der Bevölkerung brodelt. Wir wünschen uns, dass die Integration besser klappt, die Flüchtlinge es sich nicht erst in der sozialen Hängematte bequem machen können." Das sei es, was die Leute aufregt und Ängste schüre.
In einem Teil des ehemaligen Altenpflegeheims des DRK in Kriebethal leben seit Anfang Februar junge Flüchtlinge. © SZ/DIetmar Thomas© SZ/DIetmar Thomas
Man dürfe aber auch nicht verkennen, dass die Menschen, die sich um die Geflüchteten kümmern, am Limit seien. Egal, ob es Behörden, die Träger wie der DRK-Kreisverband Döbeln-Hainichen in Kriebethal oder Helfer sind. Deshalb müssten Wege gefunden werden, diejenigen, die es wirklich wollen, schneller zu integrieren. Angemeldete Kundgebungen gebe es nach wie vor durch die Freien Sachsen - "immer freitags, aber nicht regelmäßig jede Woche", sagte sie.
Bürgerinitiative enttäuscht von Politikern
Dass es nach Ankunft der jungen Flüchtlinge ruhig ist im Ort, bestätigte auch ein Vertreter des Bürgerbegehrens, der in Kriebethal unweit des Heimes wohnt und seinen Namen nicht nennen will. Auf Anfrage äußerte er aber seine Enttäuschung darüber, dass auf Mails der Bürgerinitiative an Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und an Petra Köpping bis heute keine Antwort eingegangen sei. Von der Einladung Köppings nach Dresden habe er gehört, ob er oder andere Mitglieder der Bürgerinitiative sie annehmen werden, könne er nicht sagen. "Aus heutiger Sicht eher nicht", so der Kriebethaler.
Für eine schnelle Integration der Geflüchteten will sich auch die Ministerin starkmachen. "Das ist ja das, was die Leute aufregt: Die arbeiten nicht, sind zum Teil kriminell, heißt es da", so Köpping. Sie mahnte eine Reform des Asylrechts an. "Wir sehen es an den Flüchtlingen aus der Ukraine, die sind schnell in Arbeit und da gibt es kaum Probleme. Aber wenn es dafür ein bis zwei Jahre braucht, wird es schwierig", erklärte sie.
Finanzielle Unterstützung für die Kommunen nötig
Sie sicherte zu, sich dafür einzusetzen zu wollen, dass die Kommunen finanziell unterstützt werden. Das Thema griff Landrat Dirk Neubauer auf. "In unserem Partnerlandkreis in Baden-Württemberg wird das Geld für die Flüchtlingsunterbringung im Vorfeld überwiesen und dann abgerechnet." Das würde er sich auch in Sachsen wünschen.
Auch für ihn sei eine rasche Integration wichtig. "Die Kinder sind zu uns geschickt worden, um sich zu integrieren. Sie wollen das auch, sie wollen lernen und arbeiten. Und was machen wir? Wir brauchen Monate und sehen zu, wie der Enthusiasmus schwindet. Dabei sind wir in Deutschland schon lange nicht mehr bei einem Fachkräftemangel. Wir sind längst beim Arbeitskräftemangel angekommen", so Neubauer.
Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien
Wie das Sächsische Sozialministerium am Mittwochnachmittag mitteilte, kommen die im Landkreis Mittelsachsen untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge größtenteils aus Syrien (48 Prozent) sowie aus Afghanistan (34 Prozent). Die restlichen 18 Prozent der Herkunftsorte teilen sich fast gleich auf: Türkei, Ukraine, Somalia, Senegal, Libyen, Iran, Burkina Faso, Algerien, Albanien, Ägypten und Elfenbeinküste.