Hamburg: Ukrainische Flüchtlinge verlassen mit ihrem Gepäck die Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Fegro Großmarkt im Stadtteil Harburg.© Deutsche Presse-Agentur GmbH
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift, dass Alleinstehende in Flüchtlingsheimen weniger bekommen als Alleinstehende außerhalb von Sammelunterkünften, aus naheliegenden Gründen für unzulässig erklärt. Dass Einsparungen bei der Verpflegung in Gemeinschaftsküchen möglich sind, mag sein; zwangsläufig sind sie ebenso wenig wie außerhalb der Unterkünfte. Seit 2019 gibt es diese Regelung. Sie hat nicht lange überlebt.
Der Bund hatte seinerzeit die Einsparungen, die Asylbewerber in Unterkünften angeblich erzielen können, auf 37 Euro taxiert. Das ist etwa ein Zehntel des Betrags, der Alleinstehenden zusteht, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Mit der Summe dürfte der Bund weniger den Geldbeutel der Asylbewerber im Auge gehabt haben, sondern den eigenen. Es ging der großen Koalition, die damals regierte, nicht nur um Einsparungen, die Zugereisten möglich sind, sondern die Bund und Länder erzielen können.
Der Karlsruher Beschluss betrifft nur einen Teil der Kosten für Asylbewerber, den Regelsatz, der den Kommunen mal mehr, mal weniger von den jeweiligen Ländern erstattet wird. Der Beschluss lässt sich deshalb auch so lesen: Bund und Länder können, wenn sie die für die Kosten der Asylbewerber zuständigen Kommunen entlasten wollen, nicht auf dem Rücken der Migranten sparen.
Immer wieder geht es um die „KdU“
Bis 2016 kamen die Städte und Gemeinden also noch zu mehr als 36 Prozent dieser Kosten auf – angesichts der Flüchtlingswelle und wachsender Regelsätze eine absehbare Überforderung. Es folgte eine vorübergehende Entlastung um sämtliche „KdU“-Kosten durch den Bund. Diese Regelung lief 2021 aus. Das war damals schon umstritten, weil sich die Belastungen nicht wesentlich verringern würden – nur ein Bruchteil der Asylbewerber findet in kurzer Zeit den Weg heraus aus der staatlichen Hilfe und hinein in den Arbeitsmarkt. Hinzu kommen jetzt aber noch mehr als eine Million Ukraine-Flüchtlinge; sie fallen unter die Grundsicherung, für die ebenfalls anteilig die Kommunen zahlen müssen – und die wieder steigende Einwanderung von Asylbewerbern.
Seit Beginn dieses Jahres streiten sich Bund und Kommunen deshalb um dieses eine Drittel der Kosten, das ihnen 2016 bis 2021 abgenommen wurde. Bislang gibt es aus Sicht zumindest der Landkreise keine befriedigende Regelung. Zwar haben Bund und Länder eine Lastenverteilung vereinbart, aber nicht die Kommunen mit einbezogen. Der „Flüchtlingsgipfel“ der Kommunen mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Oktober klammerte, mangels Zuständigkeit der Ministerin, die Finanzfragen aus. Erst am 2. November einigten sich Bundeskanzler Scholz und die Ministerpräsidenten – ohne Kommunen.
Aus dem Kanzleramt hieß es dazu, dass eine finanzielle Unterstützung des Bundes, die an die Länder geht, auch der Unterstützung der Kommunen dienen „kann“. Der Landkreistag antwortete jetzt: „Ohne dass auch nur ein Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt wurde, bleiben die Kreise und kreisfreien Städte auf 36,5 Prozent der flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten sitzen und sind im Übrigen auf das Wohlwollen der Länder angewiesen.“
Von der Beteuerung im Koalitionsvertrag, eine „engere, zielgenauere und verbindlichere“ Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen einzuführen, „ist also keine Rede mehr“, schreibt der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Hans-Günter Henneke. Die Episode der „Sonderbedarfsstufe“ für Alleinstehende fügt sich insofern in eine lange Geschichte ungeklärter Finanzierungsfragen rund um die Flüchtlingspolitik. Der Bund und die Länder sind dabei stets großzügig, wenn es um die Aufnahme geht. Die undankbare Rolle der Bittsteller überlassen sie anderen.