Einer aktuellen Umfrage zufolge machen die Schulen Fortschritte bei ihrer digitalen Ausrüstung. Dennoch klagen hierzulande Schüler über eine ganze Reihe von Problemen: von Unterrichtsausfall bis zu inkompetenten Lehrern. Ihr Hauptärgernis ist allerdings überraschend.
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Die Schulen in Deutschland stehen zum Start des neuen Schuljahres vor vielen Herausforderungen. Die größte: drahtloses Internet. Das zumindest ist die Meinung von jenen, die davon betroffen sind. 87 Prozent der Schüler an weiterführenden Schulen sehen das schlechte oder gar nicht vorhandene WLAN als größtes Problem. Erst danach nennen sechs von zehn Schülern den Lehrkräftemangel. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung unter 504 Schülerinnen und Schülern zwischen 14 und 19 Jahren des Digitalverbandes Bitkom.
Die Schüler haben dazu jede Menge anderer Probleme an ihren Schulen festgestellt: So stört sich jeder Zweite von ihnen am Umgang der Schüler untereinander. Fast genauso viele stöhnen über Unterrichtsausfall. Jeder Fünfte klagt über ein kaputtes Schulgebäude. Wenig schmeichelhaft auch: Gut ein Drittel von ihnen leidet – aus eigener Sicht – unter inkompetenten Lehrkräften.
„Das Interesse der Schülerinnen und Schüler an digitaler Bildung ist da und es ist hoch“, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Diese aufgeschlossene Grundhaltung sei eine riesige Chance für die Modernisierung von Deutschlands Schulen. „Jetzt müssen die Schulen, unterstützt von Bund und Ländern, auch liefern.“
Zumindest die digitale Ausstattung der Schulen scheint zum Teil vorangekommen zu sein: 71 Prozent der Schüler erleben Unterricht, in dem hin und wieder Smartboards und digitale Whiteboards eingesetzt werden. Zwei Drittel berichten von Tablets, die eingesetzt werden, in etwas mehr als der Hälfte der Fälle sind es auch Laptops.
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Obwohl fast jeder der Schüler ein Smartphone besitzt, wird dieses nur in etwas mehr als einem Drittel der Fälle auch im Unterricht eingesetzt. Womit die Eltern in ihrer Schulzeit noch konfrontiert wurden, ist inzwischen die Ausnahme. Nur noch ein Fünftel der Schüler erlebt im Unterricht den Einsatz eines Overhead-Projektors oder Fernsehers. Videorekorder im Unterricht bekommen nur noch sieben Prozent der Schüler zu Gesicht.
Ist einmal etwas an den digitalen Geräten kaputt, muss in knapp drei Viertel der Fälle eine Lehrkraft das Problem lösen. In nur fünf Prozent der Fälle gibt es professionellen Tech-Support an der Schule, also eine IT-Fachkraft, die nicht zugleich unterrichten muss.
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Immerhin bekommen drei Viertel der Schüler ein Notebook oder Tablet von der Schule gestellt. Mehr als 60 Prozent der Schüler empfinden die Auswahl an digitalen Bildungsmedien aber als zu gering und veraltet. Zwei Drittel von ihnen verlangen daher eine bessere technische Ausstattung an ihrer Schule.
Sind digitale Medien verfügbar, stellt der Einsatz die Jugendlichen nicht immer zufrieden. Vier von zehn behaupten, dass die Lehrkräfte nicht wüssten, wie sie die Medien sinnvoll im Unterricht einsetzen können.
Medienkompetenz wird nach Angaben der Schüler trotzdem vermittelt. Drei Viertel der Schüler sagen, dass zumindest Kenntnisse über die Nutzung des Internets für Recherchen vermittelt würden. Zwei Drittel berichten, dass das richtige Verhalten auf Social Media, etwa der Umgang mit Hatespeech, im Unterricht Thema sei. Auch über Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre wird in deutlich mehr als Hälfte der Fälle gesprochen.
Offenbar geht das Interesse der Schüler aber darüber hinaus. 54 Prozent nehmen oder nahmen nach eigenen Angaben am Informatikunterricht teil. Nur gut jeder Vierte interessiert sich dafür gar nicht. Fast 20 Prozent haben an ihrer Schule nicht die Möglichkeit dazu. Zwei Drittel der Schüler halten Informatik als Pflichtfach in den Klassen 5 bis 10 für eine gute Idee.
Im vergangenen März hatte Bitkom zu diesem Thema die Eltern befragt, die noch deutlicher als ihre Kinder dafür plädieren. Demnach hatten sich 83 Prozent der Eltern Informatik als Pflichtfach ab der fünften Klasse gewünscht.
„Die Schülerinnen und Schüler müssen systematisch an die Informatik und digitalen Themen herangeführt werden und dort eigene Kompetenzen erwerben“, sagt Bitkom-Präsident Wintergerst. „Es ist Aufgabe der Schulen, sie auf ihrem Weg in die digitale Welt bestmöglich mit einschlägigem Wissen und Fähigkeiten auszustatten.“
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Gefragt nach der Gestaltung der Schule im Jahr 2030, glauben fast ein Viertel, dass Schüler dann frei wählen können, ob sie in Präsenz oder digital am Unterricht teilnehmen wollen. Und acht Prozent erwarten, dass Roboter zur Unterstützung der Lehrer im Unterricht eingesetzt werden. 28 Prozent gehen sogar davon aus, dass es keine klassischen Schulfächer mehr geben wird.
Die Digitalisierung in den Schulen wird derzeit größtenteils vom Bund aus dem Digitalpakt Schule finanziert. Das Programm läuft seit 2019 und hat einen Umfang von fünf Milliarden Euro, von denen nach Angaben von Bitkom vier Milliarden Euro beantragt und genehmigt wurden, aber nur eine Milliarde Euro abgeflossen ist.
Digitalpakt Schule läuft nächstes Jahr aus
2020 wurde die Fördersumme um 1,5 Milliarden Euro erhöht. Davon sollten je 500 Millionen Euro in die Anschaffung von Geräten für bedürftige Schüler und Lehrkräfte fließen und 500 Millionen Euro in Schuladministratoren. Während das Gerätebudget nach Bitkom-Angaben fast vollständig abgerufen wurde, war es bei den Schuladministratoren nur ein Zehntel.
Der Digitalpakt Schule läuft im kommenden Mai aus, eine Anschlussfinanzierung ist im Haushaltsplan bislang noch nicht vorgesehen. „Der Digitalpakt 2.0 muss schnellstmöglich von Bund und Ländern beschlossen werden“, fordert Bitkom-Präsident Wintergerst. Der Digitalverband schlägt vor, den Förderrahmen zu erweitern und künftig mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr bis 2030 oder länger einzuplanen.