Seit Wochen stimmen Politik und Wirtschaft die Öffentlichkeit auf einen harten Winter ein. Nach Einschätzung von IWF-Vizechefin Gopinath wird der aber gar nicht der Schlimmste.
Energiekrise in Deutschland: IWF-Vize-Direktorin warnt vor dem Winter 2023/20324© Andrew Caballero-Reynolds / AFP
Deutschland wird dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge noch lange mit der Energiekrise zu kämpfen haben. »Dieser Winter wird schwierig, aber der Winter 2023 könnte noch schlimmer werden«, sagte die IWF-Vize-Direktorin Gita Gopinath dem »Handelsblatt«. »Die Energiekrise wird nicht mehr so schnell verschwinden, die Energiepreise werden noch für längere Zeit hoch bleiben.«
Die IWF-Vizechefin lobte zugleich den Kurs von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der die expansive Fiskalpolitik beenden und die Schuldenbremse wieder einhalten will. »Ich halte den Ansatz des Finanzministers für richtig«, sagte Gopinath. Die Inflation sei so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. »Hier muss alles getan werden, um die Inflation zu senken«, sagte die Ökonomin. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhe zwar ihre Zinsen, aber auch die Finanzpolitik müsse ihren Beitrag leisten. »Deshalb lautet unser Rat, auf eine expansive Fiskalpolitik zu verzichten.«
Die IWF-Vizechefin sieht Deutschland von der aktuellen globalen Wachstumsschwäche besonders betroffen. Deutschland habe einen größeren Industriesektor als andere Länder. »Und diese Unternehmen hatten schon in der Coronapandemie mit den unterbrochenen Lieferketten zu kämpfen, jetzt kommen noch die rasant steigenden Energiekosten hinzu«, sagte Gopinath.
»Deutschland ist ein Industriestandort und bekommt deshalb diese Schocks derzeit besonders deutlich zu spüren.« Der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse deutlich beschleunigt werden. Und es brauche Energielieferungen aus anderen Ländern, die verlässlich seien. »An beidem arbeitet die Bundesregierung, und das ist auch notwendig«, sagte Gopinath.
Der IWF hatte vergangene Woche seine Wachstumsprognose für Deutschland gesenkt. Anders als etwa Frankreich, Spanien und Großbritannien rechnet der IWF hierzulande für 2023 mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung – konkret von minus 0,3 Prozent. Damit wurde die Schätzung aus dem Juli um 1,1 Prozentpunkte reduziert.