Das umstrittene Infektionsschutzgesetz ist noch nicht beschlossen, es gibt auch innerhalb der Regierung weiterhin massive Bedenken dagegen. Vor allem die geplante Regelung, ab Oktober dreifach Geimpfte mit Ungeimpften gleichzustellen, sorgt für teils offenen Widerstand. In der Nacht zu Dienstag brachte Bundesgesundheitsminister nun eine weitere Verschärfung seiner geplanten Regelung ins Spiel: Eine allgemeine Maskenpflicht für alle, völlig unabhängig von der Anzahl der erhaltenen Impfungen.
© Bereitgestellt von Berliner ZeitungLauterbach erwägt Maskenpflicht auch für frisch Geimpfte
Anlass für die Aussage des Gesundheitsministers ist eine bei Twitter geführte Diskussion über die Drei-Monats-Regel und frische Impfungen. Sie besagt: Ab Oktober sollen die Bundesländer festlegen dürfen, dass auch dreifach Geimpfte („Geboosterte“) eine Maske tragen oder sich testen lassen müssen, wenn sie in die Kneipe, ein Restaurant, ins Kino, ein Museum oder das Theater wollen.
Nur wer nachweisen kann, dass seine letzte Impfung nicht länger als drei Monate zurückliegt, muss keine Maske tragen oder sich testen lassen.
Dazu hatte Lauterbach vor wenigen Tagen bei einer Pressekonferenz wörtlich gesagt: „Das ist dann sicherlich Anreiz für den ein oder anderen, darüber nachzudenken, ob er sich impfen lassen möchte.“
Kurzu zuvor hatte Lauterbach mitgeteilt: „Niemand empfiehlt eine Impfung alle 3 Monate. Das ist doch Polemik. Für wahrscheinlich 3 Monate schützen die neuen Impfstoffe vor Infektion. Vielleicht länger. Die Daten kommen. Im Gesetzentwurf steht, dass der Zeitraum, 3 Mon, angepasst werden kann.“
Unterdessen erntet Lauterbach viel Kritik für sein Drängen auf Empfehlungen für alle Altersgruppen bezüglich einer vierten Corona-Impfung. Die Ständige Impfkommission (Stiko) solle unabhängig von der Politik agieren dürfen, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Dienstag). Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag), Impfempfehlungen müssten „von der wissenschaftlichen Studienlage abhängig gemacht werden, nicht von politischen oder persönlichen Wunschvorstellungen oder von Impfstoffverfügbarkeiten“.
Lauterbach hatte am Wochenende gesagt, für den Herbst rechne er mit insgesamt vier neuen Impfstoffen von Biontech und Moderna, die an Varianten des Coronavirus angepasst seien. Spätestens dann solle es klare Ansagen auch für die unter 60-Jährigen geben. Bislang empfiehlt die Stiko nur eine vierte Impfung für Menschen ab 70 Jahren sowie Risikogruppen. Der Minister hat sich bereits für vierte Impfungen ab 60 Jahren ausgesprochen.
Der FDP-Politiker Ullmann sagte der Tageszeitung „Welt“ (Dienstag), er halte „das Drängeln von Herrn Lauterbach hier für fehl am Platz“. Die Politik solle sich nicht in die Wissenschaft und die Arbeit der Stiko einmischen. Die unabhängige Kommission genieße großes Vertrauen der Ärzteschaft und der Bevölkerung und dürfe nicht infrage gestellt werden.
Auch die Opposition kritisierte Lauterbach. „Der Minister setzt die Stiko über die Medien bewusst unter öffentlichen politischen Druck“, sagte Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der „Welt“. Mit Wissenschaft habe das nicht mehr viel zu tun. Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte: „Es kann nicht Aufgabe des Gesundheitsministers sein - egal wie hoch seine wissenschaftliche Expertise sein mag -, die Empfehlungen des zuständigen wissenschaftlichen Fachgremiums zu konterkarieren.“