E-Autos gelten als „Null-Emissionsfahrzeuge“. In Wahrheit steht nur der Auspuff woanders. Deutschlands Energiepolitik verschlechtert die Öko-Bilanz der Autos. In Frankreich verursachen Stromer wegen des hohen Kernenergie-Anteils einen Bruchteil der Emissionen.
Elektroautos beim Laden Viehmann© Viehmann
Während sich die EU auf ein Aus von Verbrennungsmotoren ab 2035 festgelegt hat, mehren sich die Fragezeichen, ob diese Strategie auch tatsächlich zu den Klima-Zielen der EU beiträgt. Schon bislang waren E-Autos keineswegs sauber und CO2-frei – nicht in Produktion und Entsorgung, aber erst recht nicht im Betrieb. Und das Problem verschärft sich mit dem Ukraine-Konflikt massiv.
Denn jetzt kommen mehrere Negativ-Faktoren für den deutschen Strommix zusammen: Funktionstüchtige Kernkraftwerke werden abgeschaltet und die aus Russland gelieferten Gasmengen werden heruntergefahren. Das bedeutet eine Renaissance der Kohle. Denn Wirtschaftsminister Habeck schließt eine Rückkehr zur Kernkraft aus - mit Unterstützung der Koalitionspartner FDP und SPD. Damit wird Strom nicht nur teurer, sondern auch schmutziger. Auch, wenn Elektroautos damit geladen werden – und natürlich auch dann, wenn auf der Ladesäule das Etikett „Ökostrom“ steht.
Beim Elektroauto steht der Auspuff im Kraftwerk
Dabei hat das KIT nach eigenen Angaben auch Verluste mit einbezogen, die normalerweise nicht berücksichtigt werden; unter anderem Hochspannungsleitungs- und Transformationsverluste, Verluste in Verteilernetzwerken sowie Verluste beim Laden der Fahrzeuge und weitere nachteilige Effekte. Sonderbedingungen wie besonders niedrige Temperaturen oder auch verlustträchtiges Schnelladen wurden dagegen nicht berücksichtigt.
Enttäuschung an der Ladesäule: Selbst "Schnelllader" liefern nur dann die versprochene Power, wenn sich der Akku des Autos in einem bestimmten Ladezustand befindet und andere Faktoren "stimmen" - ansonsten bricht die Ladeleistung schnell ein und aus den versprochenen 15-20 Minuten Ladedauer werden 45 Minuten Viehmann© Viehmann
Wie ist die reale CO2-Bilanz des Elektroautos?
Schon bislang schaute die CO2-Gesamtbilanz von Elektroautos keineswegs so optimistisch aus wie oftmals publiziert. Denn ihr CO2-Ausstoß bemisst sich in einer korrekten Betrachtung an dem überwiegend nicht regenerativen Teil des Energienetzes. - Warum? Weil die regenerativen Energien zur Bedarfsdeckung des Landes nicht ausreichen und alles, was über den Grundbedarf hinaus benötigt wird, typischerweise aus weiteren flexibleren Energiequellen kommen muss. Und das ist der bekannte Mix aus Steinkohle, Braunkohle sowie zunehmend weniger Gas und Nuklearenergie.
Das KIT hat unter dieser Prämisse auf der Basis von Echtzeitdaten des Jahres 2022 den CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen Kompakt-Elektroautos für das 1. und 2. Quartal 2022, also in der ersten Jahreshälfte 2022, ermittelt. Eine Jahreshälfte mit einem kälterem Quartal 1 und einem wärmeren Quartal 2 ist repräsentativ für ein Gesamtjahr. Dabei sind die Wissenschaftler zu dem Ergebnis gekommen, dass der CO2-Ausstoß im Mittel bei 175 g CO2 pro km liegt.
Volvo C40 an einem Schnelllader. Die Abkürzung HPC steht für "High Power Charging" Viehmann© Viehmann
175 Gramm CO2 pro Kilometer fürs E-Auto
Dieser Wert wird in Zukunft allerdings nicht mehr erreicht werden können: Im 1. und 2. Quartal 2023, also in der ersten Jahreshälfte 2023, wird die CO2-Emission im Vergleich zum 1. Halbjahr 2022 unter der Annahme identischer Wetterbedingungen deutlich steigen, und zwar vor allem durch den Wegfall der Kernkraft zum 15.04.2023. Es ergäbe sich ein Wert von 184 g CO2/km.
Mit der kompletten Abschaltung der Kernkraftwerke im Jahr 2024 wird dieser Wert laut den Berechnungen dann auf 196 g CO2/km ansteigen. Hierbei hat das KIT für das Jahr 2024 angenommen, dass ein Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen von 10 Prozent im Vergleich zum September 2022 erreicht wird.
10 Prozent Windkraft-Ausbau bis 2024
Tatsächlich könnte es aber noch schlimmer kommen: Wenn durch den Krieg in der Ukraine die Gasversorgung kritisch bleibt und deshalb der elektrische Energiebeitrag der Gaskraftwerke in Teilen ersetzt werden muss, so verbleibt in Deutschland ab 2024 nur Steinkohle und Braunkohle als Alternative. Hierdurch steigen die CO2 Emissionen weiter an: Bei einer Gasreduzierung von 20 Prozent steigt die fahrzeugbedingte CO2 Emission eines Elektrofahrzeuges im Jahr 2024 von 196 gCO2/km auf 201 gCO2/km. Eine 40-prozentige Reduktion des Erdgasbeitrages führt sogar zu einer Emission von 207 gCO2/km. Dann würden Elektroautos in den nächsten Jahren nochmals schmutziger als heute.
Diesel mit Öko-Sprit könnte sauberer sein als E-Auto
Zum Vergleich: Ein moderner Kompaktklasse-Diesel hat in einer ganzheitlichen Betrachtung – über den reinen Verbrauch im Auto hinaus – eine CO2-Emission von 153 g CO2 pro km. Mit dem Öko-Diesel R33 betankt, ergibt sich ein Wert von ca. 115 g CO2 pro km. Als Hybridvariante käme ein solches Fahrzeug auf circa 85 g CO2 pro km - und mit dem reinen Ökodiesel HVO betankt sogar auf nur 11 g CO2 pro km. Zwar stehen regenerative Kraftstoffe derzeit noch nicht in großen Mengen zur Verfügung, so dass das volle Potenzial eher theoretischer Natur ist. Doch schon ein normal betankter Diesel könnte in Deutschland wegen des „Rückalls“ zur Kohle bald einen Emissions-Vorteil haben. In der KIT-Analyse sind übrigens die CO2-Emissionen durch den nötigen Infrastrukturaufbau für E-Autos noch nicht enthalten.
Wie "sauber" sind E-Autos? Das hängt vom Strom ab Auto Motor & Sport© Auto Motor & Sport
Mit Atomkraft wird das E-Auto tatsächlich zum „Klima-Retter“
Die Zeitschrift „Auto Motor & Sport“ hat im Sommer 2021 ebenfalls untersucht, wie sauber Stromer tatsächlich unterwegs sind. „In einem Land wie Polen stoßen Elektroautos sogar noch mehr CO2 aus als Verbrennerautos, in Deutschland hält sich die Bilanz die Waage. Allein in Frankreich sind Elektroautos wirklich fast CO2-neutral unterwegs“, so die Auto-Experten, die damals den tatsächlich „getankten“ Strommix bei einem VW ID3 verglichen:
- In Frankreich mit seinem hohen Anteil an fast CO2-freiem Atomstrom fährt der ID.3 laut den Daten praktisch ohne Ausstoß von Kohlendioxid. „Nur 11,5 Gramm CO2 emittiert der ID.3, wenn er an einer französischen Ladesäule aufgeladen wird“, so die „Auto Motor & Sport“.
- In Deutschland sah es schon damals anders aus. „Wind und Sonne erzeugen immer noch so wenig Energie, dass Kohle und Gas hohe Stromanteile liefern und der ID.3 deshalb in Deutschland 91,2 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt. In Polen ist es aus Klimagründen sogar deutlich besser, mit einem Benziner oder Diesel zu fahren. Denn dort ist der Kohleanteil bei der Stromerzeugung so hoch, dass der ID.3 167,7 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt“, heißt es weiter.
- "Der CO2-Wert hat sich schon 2021 im Vergleich zum Vorjahr deutlich verschlechtert – zeitweise wurden fast 500 Gramm CO2 pro kWh ausgestoßen. An solchen Tagen liegt Deutschland nur noch wenig unter dem Ausstoß polnischen Kohlestroms", so die Experten der "Auto Motor & Sport".
Kernenergie ebenso grün wie Wind- oder Solarenergie
Kein Wunder, dass das ebenfalls stark auf Emobilität setzende Frankreich also gar nicht daran denkt, aus der Kernkraft auszusteigen. Im Gegenteil: Sechs neue Kernkraftwerke sollen gebaut werden und die ersten davon schon in den 2030er Jahren ans Netz gehen. Erst vor wenigen Tagen bekräftigte Frankreichs Präsident Macron noch einmal seine Pläne. Dabei hilft, dass die EU - gegen den erbitterten Widerstand der deutschen Ampel-Regierung - die CO2-arme Kernkraft offiziell als grüne Energie eingestuft hat. Das erleichtert Finanzierung und Genehmigungsverfrahren. In Deutschland dagegen erhält nur die Wind- und Solar-Lobby von der Ampel-Regierung Sonderrechte, um Projekte schneller und auch gegen den Widerstand von Anwohnern durchsetzen zu können.
Wind und Solar brauchen Backup aus stabilen Energiequellen
Klar ist: Der Ausbau dieser Energieformen wird zwar den CO2-Ausstoß des Landes senken, aber auch sehr lange dauern- und vor allem mangels Speichertechnologien nichts daran ändern, dass Deutschland weiterhin andere Energiequellen benötigt, wenn die Erneuerbaren Wetter-bedingt zeitweise ausfallen.
Professor Thomas Willner von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg gibt zu bedenken: „Während wir den CO2-Aussoß zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels eigentlich sofort senken müssten, führt die E-Mobilität stattdessen zu eine massiven Erhöhung der CO2-Emissionen gegenüber dem Status quo und damit zu einer noch schnelleren Erschöpfung des CO2-Budgets. Die Fokussierung der Politik auf E-Mobilität verhindert zudem, die bestehende Flotte, die zu über 99 % mit Verbrennungsmotoren fährt, schnellstmöglich klimaneutral zu machen.“
Dabei könnte der CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte mit klimaneutralen alternativen Kraftstoffen sofort reduziert werden: „Insbesondere abfallbasierte Kraftstoffe könnten einen schnellen und maßgeblichen Beitrag leisten. Weltweit gibt es einen enormen Überschuss an Abfällen, der dringend einer sinnvollen Nutzung im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft zugeführt werden,“ sagt Willner. Und fügt hinzu: „Die benötigten Technologien sind vorhanden und entsprechende Kraftstoffe mit erhöhten erneuerbaren Anteilen zwischen 10 und 100 % in Europa außerhalb Deutschlands schon an über 8000 Tankstellen erhältlich.“
Elektroauto und PV-Anlage sind das „Dream Team“
Immerhin gibt es einen Lichtblick: „Vor allem für Besitzer von Photovoltaikanlagen könnten Elektroautos interessant werden,“ so Professor Koch. Denn E-Autos könnten überschüssige elektrische Energie speichern und in den Nachtstunden abgeben. Der Ausbau der Solarenergie in Privathäusern und öffentlichen Gebäuden ist daher auch ein wesentlicher und durchaus sinnvoller Aspekt, mit dem die Ampel-Regierung die Emobilität fördern will. In der Gesamtbetrachtung des KIT ist dieses Potential allerdings bereits berücksichtig.
Bilanz kann unterschiedlich berechnet werden
Die Elektroauto-Szene lehnt die Berechnungsmethode des KIT zum CO2-Ausstoß allerdings ab, sondern legt lieber eine Berechnung mit dem duchschnittlichen Strommix zugrunde. Dann ergeben sich für das E-Auto bessere Werte, die freilich immer noch weit von der offiziellen Bezeichnung als "Zero Emission"-Fahrzeug entfernt sind; zudem werden dabei zum Beisiel die Netzwerk-Verluste nicht erfasst.
Professor Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung schrieb im Sommer 2021 in einem Beitrag für das Science Media Center, Professor Koch stelle die Frage, ob für den von E-Autos verbrauchten Strom der CO2-Ausstoß des Strommix insgesamt anzusetzen sei oder aber der CO2-Ausstoß des Grenzstrommix, also zusätzlich nötigen Stroms. Es gebe "Argumente für beide Positionen“. Standard sei aber die Verwendung der Durchschnittsemissionen. Denn Grenzstromemissionen ließen sich nicht klar zuordnen. Zudem könnten E-Autos künftig als flexible Speicher für überschüssige Wind- und Sonnenenergie dienen. Patrick Jochem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt meint: E-Autos könnten die Energiewende in der Stromerzeugung beschleunigen und zu negativen marginalen Emissionen führen, insbesondere, wenn man die E-Pkw als mobile Speicher in das Energiesystem integriere. Pläne für solche Anwendungen gibt es tatsächlich - allerdings bleibt offen, ob und wann sie im nötigen Ausmaß verwirklicht werden.
Ein Schaufelradbagger steht im Braunkohletagebau Garzweiler. Federico Gambarini/dpa© Federico Gambarini/dpa
Auch Professor Lino Guzella, Präsident a.D. der ETH Zürich, hält die Berchnungsmethode des KIT für die bessere: “Meinen Studierenden erkläre ich den in diesem Zusammenhang relevanten Begriff des Grenzstroms mit dem folgenden Gedankenexperiment. Frage: Wenn Sie eine zusätzliche kWh elektrischer Energie benötigen, welches Kraftwerk wird diese Energiemenge ins Netz einspeisen? Antwort: Das wir das CO2-intensivste Kraftwerk sein, weil alle anderen weniger CO2-intensiven Kraftwerke bereits mit voller Kapazität ins Netz liefern. Andernfalls würde man ja unnötig viel CO2 produzieren, um die vorher geforderte Menge an elektrischer Energie zu liefern. Solange also noch Braunkohlekraftwerke im Netz aktiv sind, ist deren CO2-Intensität für die Grenzstrombetrachtung relevant. Ja nach Wirkungsgrad dieser Kraftwerke ist mit einem Wert von 0.9-1.1 kg CO2 pro kWh elektrischer Energie zu rechnen.”
Deutsche Kohle-Stinker gegen grüne Franzosen-Stromer
Egal welches Rechenmodell man anwendet: Fest steht, dass die Energiepolitik der Ampel der CO2-Bilanz des E-Autos durch den Ausstieg aus der Kernenergie bei gleichzeitigem Hochfahren stillgelegter Kohlekraftwerke keinen Gefallen tut. Besonders der deutschen Autoindustrie dürfte das sauer aufstoßen, denn die hat sich in der EU auf Gedeih und Verderb der Emobilität verpflichtet. Da wird es dann etwas peinlich, wenn Habecks Energiepolitik das E-Auto zumindest zeitweise zum Kohle-Stinker macht, während die Auto-Konkurrenz aus Frankreich dank grüner Kernenergie eine nahezu blütenweiße Eimissions-Wetse vorweisen kann.