Wie der Konzern mitteilte, peilt die BASF-Führung für 2023 nun einen Umsatzrückgang auf 73 Milliarden bis 76 Milliarden Euro an. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Wirtschaftswoche
Chemieriese BASF muss seine Prognose für das Gesamtjahr in höherem Ausmaß als erwartet stutzen. Die Nachfrage erholt sich schleppender als gedacht, vor allem China lahmt. Für die Entwicklung bedeutet das nichts Gutes.
Nach den Spezialchemieherstellern Lanxess, Clariant und Evonik hat es nun auch BASF erwischt: Der weltgrößte Chemiekonzern muss nach einem schwachen zweiten Quartal Abstriche bei seinen Jahreszielen machen. 2023 rechnet der Konzern nur noch mit einem Umsatz zwischen 73 und 76 Milliarden Euro sowie einem bereinigten operativen Gewinn (Ebit) zwischen vier und 4,4 Milliarden Euro, teilte BASF am Mittwoch nach Börsenschluss mit. Bislang hatte das Ludwigshafener Unternehmen mit einem Rückgang des bereinigten Gewinns auf 4,8 bis 5,4 Milliarden Euro gerechnet und einem Umsatz von 84 bis 87 Milliarden Euro.
BASF verwies dabei auf die Flaute in der globalen Industrieproduktion und die schwächelnde Nachfrage nach Konsumgütern. Während sich der globale Dienstleistungssektor im ersten Halbjahr erholt habe, habe sich das Wachstum der globalen Industrieproduktion weiter verlangsamt, so das Unternehmen. Dadurch sei die Chemieproduktion „spürbar“ zurückgegangen.
Dort erwirtschaftet BASF rund 15 Prozent seines Umsatzes. Noch im April hatte Konzernchef Martin Brudermüller angekündigt, man erwarte nicht zu viel vom zweiten Quartal, rechne aber im zweiten Halbjahr mit einem besseren Ergebnis – vor allem aufgrund von Aufholeffekten in China.
Doch die von vielen Marktteilnehmern erhoffte Aufholjagd in China blieb nach der Coronakrise weitgehend aus. „Die Erholung der chinesischen Wirtschaft nach der Abkehr von der Null-Covid-Politik fällt moderat aus“, schreibt das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in seiner jüngsten Prognose. „Fallende Immobilienpreise und die finanziellen Probleme zahlreicher Immobilienentwickler haben nicht nur die Bautätigkeit gedämpft, sondern sich wohl auch negativ auf die Konsumbereitschaft ausgewirkt.“ Der sogenannte Einkaufsmanagerindex, einer der wichtigsten Indikatoren für die erwartete Geschäftsentwicklung, fiel im Juni auf den niedrigsten Stand seit Monaten.
Analysten sehen Grund für Optimismus
Die Korrektur ist für BASF besonders schmerzhaft. Kaum ein deutscher Konzern setzt so viele seiner Karten auf China. Die Ludwigshafener sind hier seit 1885 vor Ort, eng vernetzt mit ansässigen Unternehmen und Behörden, sie haben in China selbst Anlagen zu einem Bilanzwert von 6,5 Milliarden Euro. Zudem bauen sie gerade in der südchinesischen Provinz Guangdong für zehn Milliarden Euro eine der weltgrößten Chemieproduktionen auf. Eine Investition, die laut Branchenexperten viele Chancen mit sich bringt, aber ebenso viele Risiken birgt und deshalb von Politikern, Investoren und Analysten mit Skepsis verfolgt wird. Laut Brudermüller aber ist die Entscheidung alternativlos. Zu hoch seien in Europa Energiekosten und Margen, zu hoch sei die Hoffnung auf weiteres Wachstum des chinesischen Chemiemarkts. Brudermüller rechnet damit, dass China bis 2030 die Hälfte des globalen Chemiegeschäfts ausmacht.
Zahlreiche Analysten hatten wegen der hohen Abhängigkeit von China bereits damit gerechnet, dass BASF seine Prognosen senken muss. „Ja, die Gewinnwarnung war erwartet worden, aber sie fällt deutlicher aus als erwartet und die Marktteilnehmer stellen nun die Dividende infrage“, kommentierte ein Händler gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Auch die Analysten der US-Bank JPMorgan zeigten sich überrascht von dem Ausmaß, sahen aber auch Anlass für Optimismus: „Vor dem Hintergrund des bereits erfolgten massiven Abbaus von Lagerbeständen in der Wertschöpfungskette der Chemie halten wir es für wahrscheinlich, dass sich die Gewinne in den kommenden Quartalen sehr deutlich und besser als erwartet erholen“.
Im zweiten Quartal schrumpfte der Umsatz von BASF wegen deutlich niedrigerer Preise und Mengen um ein Viertel auf 17,3 Milliarden Euro und lag damit fast zwei Milliarden Euro unter den Analystenschätzungen. Der bereinigte operative Gewinn brach nach vorläufigen Zahlen auf eine Milliarde Euro ein. Auch negative Währungseffekte bremsten. Den vollständigen Halbjahresbericht legt BASF am 28. Juli vor.
Margen bleiben unter Druck
Von der aktuell geringen Nachfrage seien vor allem Spezialchemikalien betroffen, erklärte Fondsmanager Arne Rautenberg von Union Investment, weil die Kapazitäten hoch, die Nachfrage jedoch gering sei. In China würden Spezialchemikalien produziert, die aufgrund der geringen Nachfrage nicht gebraucht werden. „Stattdessen werden sie dann in Europa und den USA verkauft. Das treibt den Preis global nach unten“, sagt Rautenberg.
Zusätzlich hat BASF aber auch noch ein Spezialproblem am Bein: In den USA laufen derzeit mehrere milliardenschwere Klagen wegen Verunreinigungen durch nicht abbaubare Chemikalien. Bisher kam es bei drei US-Chemiekonzernen zu Vergleichszahlungen in Höhe von ingesamt 1,2 Milliarden Dollar. Auch BASF ist von Klagen betroffen. Wie hoch die finanziellen Belastungen letztlich werden, ist noch nicht absehbar. BASF weist vorsichtshalber darauf hin, dass ein ungünstiger Ausgang der juristischen Verhandlungen erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis haben könnte.
In Hinblick auf die zweite Jahreshälfte erklärte BASF, weltweit keine weitere Abschwächung der Nachfrage zu erwarten. Die Lagerbestände an Chemierohstoffen bei den Kunden seien bereits stark abgebaut worden. Da die Nachfrage nach Konsumgütern aber schwächer ausfallen werde als bislang gedacht, dürfte die Erholung nur zaghaft ausfallen. „Damit werden auch die Margen unter Druck bleiben.“
Auch der Verband der chemischen Industrie VCI hatte sich zuletzt wenig optimistisch für die wirtschaftliche Entwicklung gezeigt. Die Produktion liege auf sehr niedrigem Niveau, der Branchenumsatz sei seit Monaten rückläufig, und der Auftragsmangel mache den Unternehmen zu schaffen.
Das dürfte auch für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nichts Gutes bedeuten: Die Chemieindustrie gilt als Frühindikator für die Konjunktur. Weil die Branche nahezu alle Industriezweige mit Chemikalien versorgt, bekommt sie Veränderungen in der Nachfrage früh zu spüren.