Der Verkauf der Viessmann-Klimasparte hat erneut die Diskussion entfacht, inwiefern der Standort Deutschland von seiner Klimapolitik profitiert. Wie führende Ökonomen die Lage einschätzen – und warum der Viessmann-Deal für künftige Wärmepumpen-Kunden eine gute Nachricht ist.
Eine Industrie-Anlage in Nordrhein-Westfalen Getty Images/Jorg Greuel© Bereitgestellt von WELT
Die oberste Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sieht den Hauptgrund für den milliardenschweren Verkauf der Viessmann-Klimasparte in die Vereinigten Staaten in dem fehlenden Internationalisierungswillen des Managements. „Das hätte man vermeiden können, wenn man selbst frühzeitiger expandiert hätte“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gegenüber WELT.
Für deutsche Unternehmen zeige der Fall, dass „bei Technologien, die von großen Stückzahlen profitieren, eine frühzeitige internationale Expansion in Europa und darüber hinaus wichtig ist“, so Schnitzer. Eine grundsätzliche Schwäche des Wirtschaftsstandorts Deutschland sei aus dem Viessmann-Verkauf nicht abzuleiten.
„Dem kann man nur durch die Erhöhung der eigenen Produktionszahlen und dadurch möglichen Kostensenkungen begegnen. Genau das soll mit dem Verkauf an den US-Konzern erreicht werden“, sagt Schnitzer. Profitieren würden in jedem Fall die Verbraucher. „Für Haushalte, die planen, eine Wärmepumpe einzubauen, ist die Entwicklung eine gute Nachricht, weil die Preise fallen werden“, sagt Schnitzer.
Der Einstieg des US-Konkurrenten Carrier Global bei dem Unternehmen aus Nordhessen hatte zu heftigen politischen Reaktionen geführt. FDP-Vertreter sahen darin ein Indiz, dass deutsche Technologie-Unternehmen aufgrund der unzulänglichen Standortpolitik seitens des Wirtschaftsministers massiv unter Druck seien.
Das federführend im BMWK von Robert Habeck (Grüne) entwickelte Gebäude-Energie-Gesetz, das nach und nach zum Aus von Gasheizungen und zum Einbau von Wärmepumpen führen soll, greife „schnell und hart in den Markt ein“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.
Der Einstieg der Amerikaner sorgt zudem für Diskussionen darüber, inwiefern der Standort Deutschland von der Klimapolitik mittelfristig profitiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte jüngst von einem neuen deutschen Wirtschaftswunder gesprochen. Dies gelte höchstens für Teile der Wirtschaft, sagt Wirtschaftsforscher Stefan Kooths, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
„Zwar werden die mit der Transformation befassten Bereiche verstärkt wachsen, dies aber auf Kosten der übrigen Bereiche.“ Die Dekarbonisierung sei mit „Verdrängungseffekten verbunden, die das Wachstumspotenzial schmälern“, so Kooths. Dies gelte etwa für die Verfügbarkeit von Arbeitskräften.
Weniger negativ bewertet dies der Wirtschaftsweise Achim Truger von der Universität Duisburg. Voraussetzung dafür, dass der gesamte Wirtschaftsstandort von der Transformation profitiere, sei ein planvoller Strukturwandel. „Wenn das schrittweise und mit staatlicher Unterstützung und sozialer Flankierung passiert, wird niemand überfordert und der Standort wird wie nach jedem Strukturwandel anders aussehen, aber trotzdem gut funktionieren und Einkommen und Arbeitsplätze sichern, nur eben klimaneutral“, sagt Truger.
Subventionen seien der falsche Weg
Dafür müssten jetzt die politischen Weichen gestellt werden. „Private Investitionen und klimaschonendes Verhalten sollten durch einen systematisch steigenden CO₂-Preis und Förderprogramme mobilisiert werden“, sagt Truger. Die geplanten Superabschreibungen für Klimainvestitionen müssten endlich kommen. Klar sei aber auch, dass sich Deutschland keine allgemeinen Steuersenkungen und keinen schwächeren Staat leisten könne.
Dem widerspricht IfW-Vize Kooths. „Zentral ist, Arbeits- und Investitionsanreize zu stärken. Das spricht dagegen, noch weiter an der Abgabenschraube zu drehen, insbesondere mit Blick auf die Attraktivität des Standorts für qualifizierte Zuwanderer“, sagt er.
Subventionen seien mit Blick auf die hohen Energiepreise dagegen der falsche Weg. „Alle hierzulande tätigen Unternehmen müssen ihre Kosten selbst am Markt erwirtschaften, dazu zählen auch die Energiekosten“, sagte Kooths.