Chipfertigung von Infineon in Dresden.© Infineon
Kaum ist Infineons neuer Vorstandsvorsitzender ein paar Monate im Amt, schon verkündet er die größte Investition in der Unternehmensgeschichte: Für 5 Milliarden Euro plant der Chiphersteller aus dem Münchner Süden ein weiteres Werk am Standort Dresden. Schon im Herbst 2026 soll nach dem Willen von Jochen Hanebeck dort die Produktion beginnen. Künftig dürften in der Fabrik so viele Halbleiter entstehen, dass der Dax-Konzern jährlich rund 5 Milliarden Euro zusätzlich umsetzt.
Zum Vergleich: Im abgelaufenen Geschäftsjahr nahm Infineon insgesamt gut 14 Milliarden Euro ein.
Wurde erst im vergangenen Herbst ein neues Werk im österreichischen Villach eingeweiht, folgte Anfang dieses Jahres die Ankündigung, den Standort im malaysischen Kulim auszubauen. Und nun also auch Dresden. Infineons Milliardeninvestition ist damit hierzulande die jüngste einer ganzen Reihe solcher Projekte.
Allein der US-Konzern Intel will in Magdeburg für einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag bauen, auch Bosch hat kürzlich ein Werk eröffnet und über das Interesse des taiwanischen Branchenriesen TSMC wird auch schon länger gemunkelt. Auch in Italien und Frankreich gibt es Pläne.
Nur jeder zehnte Chip kommt aus Europa
Eines hat Infineon allerdings klargemacht: Voraussetzung für die Megainvestition in Dresden ist die finanzielle Förderung durch den European Chips Act, einen rund 43 Milliarden Euro großen Fördertopf. Er soll helfen, dass die EU im Rennen um Produktionsstandorte neben Amerika und Asien mitmischen kann. Dort werden schließlich teilweise 40 Prozent der Investitionssumme vom Staat übernommen.
Will Europa den Anschluss nicht endgültig verlieren, wird es nicht umhinkommen, die Fördertöpfe ebenfalls zu öffnen – sonst entstehen die Fabriken woanders. In Deutschland sind zudem die seit jeher deutlich höheren Energie- und Personalkosten ein Standortnachteil, auch die Infrastruktur hat Mängel.
Welche Bedeutung der Chipindustrie zukommt, hat sich während der Pandemie gezeigt, als Produktion und Logistik der Halbleiter stark gestört waren. Von Autos über Laptops bis hin zum Kühlschrank – ohne die wertvollen Chips standen ganze Produktionen oft wochenlang still. Der Ausbau eigener Fertigungskapazitäten hilft Deutschland und Europa also dabei, gerade in geopolitisch unsicheren Zeiten, die Abhängigkeiten vom Weltmarkt etwas zu verringern und Druck von angespannten Lieferketten zu nehmen.
Nicht nur auf Basis von Subventionen entscheiden
Hinzu kommt, dass die Chipbranche selbst zu einem volkswirtschaftlich relevanteren Spieler wird. Allein das geplante Werk von Infineon soll weitere 1000 Arbeitsplätze schaffen, Intel rechnet mit Tausenden Stellen – nicht inkludiert sind Unternehmen, die sich im regionalen Umfeld ansiedeln.
Freilich darf ein Unternehmen seine Ausbaupläne nicht nur auf Basis von Subventionen treffen. Diese können im politischen Gerangel schnell wieder flüchtig sein. Dennoch haben Chipkonzerne einen Punkt, wenn sie mit Blick auf den Chips Act schnellere und konkrete Entscheidungen aus Brüssel verlangen, um sicher planen zu können.
Dass angesichts der generösen staatlichen Förderungen so manche Fabrik deutlich größer ausfällt, als es noch in den Vorjahren der Fall war, sollte dabei kritisch beobachtet werden. Zum Vergleich: Das 2018 angekündigte und im Herbst 2021 eröffnete Werk in Villach ließ sich Infineon 1,6 Milliarden Euro kosten – rund ein Drittel der Summe, die nun in Dresden ansteht. Europa beteiligt sich damit am globalen Subventionswettrennen und befeuert einen möglichen Schweinezyklus aus Überkapazitäten im Markt.
Allerdings dürften nach heutigen Prognosen viele der Kapazitäten gebraucht werden, nicht nur im industriell geprägten Deutschland. Infineon und andere stellen Leistungshalbleiter größeren Formats her, die in Zukunftsbranchen eingesetzt werden. Sie werden für E-Autos und Ladesäulen, in Anlagen für erneuerbare Energien, Rechenzentren und im Maschinenbau verwendet. Allein der Markt für Autochips dürfte sich bis Ende des Jahrzehnts von derzeit rund 50 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln – beste Aussichten also für Infineon.