Lieferengpässe und Kostensteigerungen haben der Braubranche bereits in der Corona-Krise schwer zugesetzt. Seit Beginn der Pandemie mussten 40 Brauereien in Deutschland schließen. Nun bereiten die immer weiter steigenden Rohstoffpreise der Branche große Sorgen. "Was gerade passiert, sprengt alle Dimensionen", sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. "Wir sehen bei Rohstoffen, Verpackungen, Energie und Logistik nie gekannte Preiserhöhungen."
Besonders Lebensmittel treiben derzeit die Inflation in die Höhe. Die Preise für Nahrungsmittel stiegen im April 2022 um 29,81 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Grund dafür ist neben Corona-Pandemie bedingten Engpässen auch der Krieg in der
Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen gegen
Russland. Das Land gilt als Kornkammer Europas und weltweit größter Exporteur von Sonnenblumenöl. Daher stiegen vor allem die Preise für pflanzliche Ölsorten in Deutschland zuletzt massiv.
Die Inflation zeigt sich auch deutlich in den Brauereien. "Die Kosten laufen völlig aus dem Ruder", so Geschäftsführer Eichele. Besonders bei Braumalz und Neuglas würden die Einkaufspreise durch die Decke schießen. Auch der Preis für Transportpaletten habe sich binnen einem Jahr verdoppelt. Ein Ende dieser Entwicklung sei noch nicht in Sicht. "Wir fahren gerade mit hohem Tempo durch eine Nebelwand. Weder die weitere politische Entwicklung in Europa, noch der Verlauf der Corona-Pandemie im Herbst und Winter sind in irgendeiner Weise vorhersehbar", so Eichele.
Bierkonsum sinkt in Deutschland seit Jahrzehnten
Die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Krieges verschärfen auch einen seit bereits Jahrzehnten andauernden Trend, der die Brauereien beschäftigt: Seit 40 Jahren sinkt in Deutschland der Bierkonsum. Während er 1980 pro Kopf noch bei 146 Liter lag, trinken die Deutschen mittlerweile weniger als 95 Liter im Jahr.
Die drastischen Kostensteigerungen müssten nun auf die Preise umgelegt werden – das Feierabendbier könnte durch den Kostendruck künftig also deutlich teurer werden. Malz als wichtiger Braurohstoff ist laut Brauer-Bund um bis zu 60 Prozent teurer geworden. Noch extremer fielen die Steigerungen bei Strom und Gas aus.
Große Marken wie Krombacher, Veltins und Bitburger haben schon Preiserhöhungen angekündigt. Der Bund hofft nun auf Unterstützung des Handels. "Die marktbeherrschenden Handelskonzerne können nicht einfach wegsehen, wenn ihre Lieferanten exzessiven und existenzgefährdenden Kostensteigerungen ausgesetzt sind", so Eichele.
Dabei war die Branche nach gelockerten Corona-Regelungen und zunehmenden Großveranstaltungen und geöffneter Gastronomie zu Beginn des Jahres deutlich zuversichtlicher. Wirte und Brauer hatten sich nach den beschlossenen Corona-Lockerungen einen echten Schub erwartet. Doch nun steigen neben den Umsätzen in extremer Weise auch die Kosten.
Brauereien setzen auf Großveranstaltungen
"Die letzten zwei durch die Pandemie geprägten Jahre waren hart für die gesamte Branche", sagt eine Sprecherin der Brauerei Warsteiner gegenüber dem manager magazin. Der Absatz der Brauerei ging im Jahr 2021 im In- und Ausland mit 1,1 Prozent leicht zurück, entwickelte sich aber besser als der Gesamtmarkt. Grund dafür ist besonders das Auslandsgeschäft der Brauerei. Durch die geschlossenen Gastronomien habe es einen verstärkten Preiskampf im Handel gegeben. In diesem Jahr erwartet Warsteiner jedoch wieder einen Aufschwung durch Großveranstaltungen, wie Deutschlands größtem Electronic Music Festival Parookaville oder dem nahe gelegenen Kaltenberger Ritterturnier auf einer Schlossanlage.
Die aktuelle Energieversorgungs- und auch Lieferkettensituation beschäftige das Unternehmen massiv. "Keiner besitzt derzeit eine Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen. Wir haben in den letzten zwei Jahren alle gelernt, dass es eine Planungssicherheit entweder nicht gibt oder jederzeit Themen auftauchen können, die große Flexibilität von den Menschen und Unternehmen fordern", so das Unternehmen. Das werde sich auch in den nächsten zwölf Monaten nicht ändern.
Auch die Brauerei Krombacher aus Nordrhein-Westfalen ist noch nicht wieder auf dem Niveau der Vorpandemie-Zeiten. Im Vergleich zum Vorjahr verkaufe das aktuelle Geschäftsjahr aber bisher deutlich zufriedenstellender. Für die Branche sei die Wetterlage im Frühjahr und Sommer nun entscheidend. Und auch mögliche Auswirkungen durch den Krieg in der Ukraine seien nicht seriös vorherzusagen. "Insgesamt war und ist die fehlende Planbarkeit für uns als Unternehmen mit die größte Herausforderung in der aktuellen Situation, insbesondere auch mit Blick auf den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie sowie mögliche Entwicklungen oder Verschärfungen im Herbst", so der Sprecher. "Generell freuen wir uns darüber, dass die Gastronomie und auch die Eventbranche aufgrund der gefallenen Corona-Beschränkungen mit positiveren Perspektiven in die kommenden Monate gehen können", sagt ein Sprecher. "Es gibt aber auch weiterhin große Unwägbarkeiten", bekennt das Unternehmen.
Konsumindex bricht ein
Eichele vom Deutschen Brauerbund sieht die Gastronomie und Veranstaltungen jedoch weiterhin gefährdet. "Viele Verbraucher müssen sich wegen hoher Spritpreise und explodierender Heizkosten an anderer Stelle einschränken", sagt er. Die stark steigenden Lebenshaltungskosten würden dazu führen, dass immer mehr Buchungen storniert werden, insbesondere im Inlandstourismus genauso wie für Gaststättenbesuche und Veranstaltungen. "Wir sehen zwar, dass sich das Gastgewerbe langsam aus der Krise herausarbeitet, aber von einer Normalisierung sind wir noch weit entfernt", sagt Eichele. Der GfK-Konsumklima-Index war bereits für April um 15,7 Punkte eingebrochen, für Mai werden sogar minus 26,5 Punkte prognostiziert. "Das ist ein historischer Tiefstand, der in unserer Branche wie auch im Gastgewerbe deutliche Bremsspuren hinterlässt", so der Geschäftsführer.
Vor diesem Hintergrund sei es wenig überraschend, dass der ifo-Konjunkturindex der Brauwirtschaft ebenfalls abgestürzt ist, sagt Eichele. Von noch 14,5 Punkten im dritten Quartal 2021 auf ein Minus von 8,8 Punkten im ersten Quartal dieses Jahres. Zwar nannten im März noch zwei Drittel der Brauereien die Geschäftslage "befriedigend", ein Drittel aber beklagte sich über die schlechten Situation.
Die stark steigenden Energie-, Lebensmittelpreise und Personalkosten zeigen sich auch im Gastgewerbe. Noch im März hatten Gastronomen und Hoteliers laut DEHOGA Umsatzverluste in Höhe von fast 28 Prozent gegenüber März 2019 zu verzeichnen. "Für einen erfolgreichen Neustart bräuchte das Gastgewerbe Planungssicherheit und verlässliche Perspektiven – davon ist leider nichts zu erkennen", so Eichele.
Brauereien fordern einheitliche Regelungen
Die Brauerei Bitburger fordert mehr Planungssicherheit. "Grundsätzlich wünschen wir uns von der Politik – gerade für die von der Pandemie stark betroffenen Partner in der Gastronomie und Hotellerie – verlässliche und einheitliche Regelungen, die den verschiedenen Branchen eine bessere Planbarkeit ermöglichen", so das Unternehmen. Das Unternehmen sehe die derzeit durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Kosten- und Preissteigerungen in allen Bereichen mit zunehmender Sorge, sei aber zuversichtlich, da Bitburger was die Rohstoffeinkäufe betreffe "stets konservativ und vor allem qualitätsorientiert Vorsorge" getroffen habe.
Ähnlich klingt es an der Weser in Bremen. Die Marke Beck’s, die zu dem belgischen Brauereikonzern ABInbev gehört, erwartet in diesem Jahr ein Wachstum von 1,6 Prozentpunkten. "Das Wiederaufleben von Großveranstaltungen wird einen zusätzlichen positiven Beitrag leisten", ist sich das Unternehmen sicher. Das Unternehmen müsse dennoch die politischen und pandemischen Entwicklungen beobachten. "Insgesamt sind wir aber zuversichtlich", so das Unternehmen. Ziel sei es, eine Balance zwischen dem Wachstum in aufstrebenden Segmenten, wie dem Premiumsegment, und den Anstiegen der Rohstoffpreise zu finden.
Immerhin einen deutlichen Hoffnungsschimmer hat die Branche: Während laut ifo-Institut im Februar noch rund 42 Prozent der Firmen ein Minus in den Büchern verzeichnete, konnte mehr als die Hälfte der Brauereien im März wieder eine steigende Nachfrage melden. Auch Kurzarbeit gibt es nur noch in wenigen Betrieben.