Die Prüfer von KPMG verweigern dem Immobilienkonzern Adler das Testat für die Bilanz. Die Vorgänge seien «unglaublich selten», sagt eine Expertin. Die Aktie stürzt prompt ab.
In Deutschland weckt ein neuer Bilanzskandal böse Erinnerungen an den Wirecard-Fall: Es geht um den Immobilienkonzern Adler Group. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG haben dem Konzern- und Einzelabschluss von Adler einen sogenannten Versagungsvermerk aufgedrückt. Sie hätten sich nicht in der Lage gesehen, ein Prüfungsurteil abzugeben, weil ihnen im Zusammenhang mit einigen Immobiliendeals wichtige Informationen nicht zugänglich gemacht worden seien.
Zudem meldete die Adler Group wegen einer milliardenschweren Abschreibung auf ihrem Immobilienentwickler einen Vorsteuerverlust von gut einer Milliarde Euro. Und schliesslich seien auch noch alle Verwaltungsräte, die bereits im vergangenen Jahr an Bord waren, geschlossen zurückgetreten. Vom Management übrig blieb nur der im Februar berufene neue Verwaltungsratschef Stefan Kirsten.
Anleger flohen aus der Adler-Aktie. Am Dienstag setzte eine Gegenbewegung ein, doch scheint unklar, wie nachhaltig diese ist.
Die einzige gute Nachricht war eigentlich, dass überhaupt ein Abschluss vorgelegt werden konnte. Denn der musste bis zum 30. April – also dem vergangenen Samstag – vor Mitternacht veröffentlicht sein, sonst wären Anleihen über rund 4,4 Milliarden Euro fällig geworden.
Zuletzt besass Adler laut Geschäftsbericht noch gut 27’000 Mietwohnungen, die meisten in Berlin. Mehr als 40’000 Wohnungen hat der Konzern mit Sitz in Luxemburg in den vergangenen Monaten verkauft. Wie viel die verbliebenen Immobilien nun wirklich wert sind, ist eine der zentralen Fragen, KPMG kommt hier zu deutlich niedrigeren Werten als Adler selbst.
«Die Gewinne wurden in der Vergangenheit vor allem durch die Wertsteigerung der Immobilien in den Bilanzen erzielt.»
Solch ein Versagungsvermerk sei «unglaublich selten», sagte Bilanzexpertin Carola Rinker, im Fall von Adler sei er aber gerechtfertigt. Zu viele Fragen seien offen, vor allem hinsichtlich der Bewertung, aber auch was die Defizite in der Unternehmensführung und womöglich unsaubere Deals angehe.
«Die Gewinne wurden in der Vergangenheit vor allem durch die Wertsteigerung der Immobilien in den Bilanzen erzielt», so die Volkswirtin, die auch Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) ist. Ob Adler womöglich überschuldet sei, hänge deshalb massgeblich vom Erlös der Häuser bei einem Verkauf ab. Da seien die Rahmenbedingungen zuletzt deutlich schlechter geworden. «Und Adler hat jetzt auch noch eine schlechte Verhandlungsposition, weil alle wissen, dass sie Geld brauchen.»
Klagen in Vorbereitung
Die SDK prüft laut eigener Aussage Schadenersatzansprüche gegen das Unternehmen und seine Manager und ist dazu bereits mit zwei Prozessfinanzierern im Gespräch. Zudem würden strafrechtliche Konsequenzen sowie eine Anzeige bei der Abschlussprüfer-Aufsicht geprüft.
Das alles ins Rollen gebracht hat der berüchtigte Investor Fraser Perring, der bereits beim Wirecard-Skandal eine Schlüsselrolle spielte. Im Oktober hat der Brite in einem Bericht seiner Analysefirma Viceroy schwere Vorwürfe gegen Adler erhoben.
Darin ging es unter anderem um überbewertete Immobilien und heimliche Deals zugunsten des österreichischen Geschäftsmanns Cevdet Caner und ihm nahestehender Personen – zum Schaden von Aktionären und Anleihegläubigern. Adler und Caner haben die Vorwürfe stets vehement bestritten, der Konzern gab eine Sonderprüfung in Auftrag, deren Ergebnisse vergangene Woche veröffentlicht wurden.
Darin sah Verwaltungsratschef Kirsten die Firma noch von den Vorwürfen entlastet. Der Sonderbericht von KPMG sei zwar «kein Freispruch erster Klasse», systematischen Betrug und Täuschung habe es bei Adler aber nicht gegeben.
Was die Prüfer aber schon da bemängelten: Von etwa 3,9 Millionen Dokumenten seien ihnen rund 800’000 vorenthalten worden. Kirsten begründete das damit, dass diese Unterlagen womöglich dem Schutz des Verhältnisses zwischen Mandant und Rechtsbeistand unterlägen, sie herauszugeben, hätte in den USA und Grossbritannien grosse juristische Risiken bedeuten können. Eine detaillierte Prüfung aller Dokumente sei wegen der Eile unmöglich gewesen. «Das hat KPMG offenbar in hohem Masse irritiert und verärgert», sagte Kirsten. «Der 30. April war für uns aber die wichtigere Deadline.»
Bis zur Generalversammlung Ende Juni will er nun vorerst mit einer Rumpftruppe des bisherigen Managements weitermachen. Das Tagesgeschäft soll der bisherige Co-Chef Thierry Beaudemoulin allein führen, ein neuer Finanzchef werde extern gesucht. Zudem sollen Thilo Schmid und Thomas Zinnöcker bis zum Aktionärstreffen im Verwaltungsrat bleiben. Alle Manager sollen sich dort dann zur Wiederwahl stellen.