Ostdeutsche Agrarflächen sind längst ins Visier großer Investoren geraten. In der vergangenen Woche ist der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen SE neu in das Geschäft eingestiegen. Seine Tochtergesellschaft, die Quarterback Immobilien AG aus Leipzig, steht kurz davor, einen Agrarbetrieb in Brandenburg im Rahmen eines Anteilskaufs zu übernehmen. Zum Betrieb Röderland GmbH gehören 2500 Hektar Land und etwa 900 Rinder, darunter Mutterkühe und Milchvieh. In dieser Woche soll der Verkauf unter Dach und Fach gebracht werden. Damit ginge zum wiederholten Male ein Agrarbetrieb in den Besitz eines außerlandwirtschaftlichen Investors über.
Im Visier der Investoren: Die Kaufpreise für Ackerland sind stark gestiegen.© dpa
Ostdeutsche Landwirte reagierten empört auf das Vorhaben. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft forderte, die Agrarstrukturgesetze zügig anzupassen, um bäuerliche Betriebe vor kapitalstarken Investoren zu schützen. Ähnlicher Ansicht ist der Landesbauernverband Brandenburg. „Die Überarbeitung des Agrarstrukturgesetzes kommt jedoch 20 Jahre zu spät. Viele Geschäfte sind bereits gelaufen“, sagt Hauptgeschäftsführer Denny Tumlirsch.
Die Bundesregierung habe in ihrer bisherigen Praxis des Verkaufs landeseigener Flächen (BVVG-Flächen) an den Höchstbietenden dem rein marktorientierten Verkauf Tür und Tor geöffnet. Im Normalfall soll das Bodenmarktrecht Agrarflächen vor Spekulationen schützen. In seiner veralteten Form werde das aber nicht erreicht. Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) arbeitet daher nun an Gesetzesänderungen, wie eine Sprecherin bestätigte.
Damit sollen Verkäufe dieser Art zukünftig anzeigepflichtig sein. Es würde geprüft, ob der landwirtschaftliche Betrieb auch nach dem Kauf dauerhaft aufrechterhalten werden soll und die Flächen weiter eigenständig bewirtschaftet werden sollen. Sei das nicht der Fall, könne man eingreifen. Ob die Änderungen tatsächlich einen fairen Bodenmarkt fördern, ist laut Tumlirsch vom Bauernverband aber fraglich.
Der Agrarbetrieb Röderland soll auch nach der Übernahme weitergeführt werden. Das bestätigte Vorstandsmitglied Thomson. Die 32 Mitarbeiter würden für fünf Jahre weiterbeschäftigt. Allerdings solle der Viehbestand möglicherweise schrumpfen. Freiflächen- sowie Agri-Photovoltaikanlagen kämen als neue Geschäftsfelder hinzu.
Ein Einzelfall ist dieser Kauf nicht. Seit der Finanzkrise 2007 sind mit Blick auf Agrarimmobilien erhebliche spekulative Tendenzen erkennbar. Die für die Landwirtschaft verfügbaren Flächen schrumpfen – und werden teurer. Gleichzeitig kletterten die Preise für gepachtete Flächen. Seit 2000 haben sich die Kaufpreise für Acker- und Grünland etwa verdreifacht. Im Zuge der Inflation suchen Investoren, Vermögensverwalter und Fondsgesellschafter verstärkt nach Möglichkeiten, Geld gewinnbringend anzulegen.
In Ostdeutschland zeigt sich das Problem besonders deutlich. Investoren wie die Aldi-Stiftung, die Zech-Gruppe und die Münchener Rück haben seit der Wiedervereinigung Agrarbetriebe aufgekauft und besitzen große Flächen in Ostdeutschland. Offizielle Zahlen existieren keine. Das Thünen-Institut schätzt den Anteil der Investoren an Großbetrieben (juristische Personen) im Osten auf 34 Prozent im Jahr 2017, Tendenz steigend.