Geschäftsmodell Deutschland in Gefahr: „Nur Autos nach China liefern, reicht nicht“
Das deutsche Geschäftsmodell ist in Gefahr. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Passe sich die Wirtschaft der veränderten Welt an, winken weiter gute Geschäfte.
München – Covid-Pandemie, Ukraine-Krieg, Lieferengpässe bei Halbleitern und Kabelbäumen, drohender Gasmangel: Die letzten Jahre stellten die Weltwirtschaft vor enorme Probleme. Besonders betroffen: Der Exportweltmeister Deutschland, der stärker als andere Länder auf stabile Lieferketten, globale Zusammenarbeit und freien Handel angewiesen ist. Doch das wird es künftig nicht mehr im selben Maße geben wie früher, was die deutsche Wirtschaft gefährde. Davor warnt eine gemeinsame Studie der Beratungsgesellschaft Prognos und der Bayern LB. Offenbar haben die jüngsten Krisen nämlich nur sichtbar gemacht, was sich schon länger abgezeichnet hat.
Außenhandel: Industrieprodukte haben an Bedeutung verloren
„Der Außenhandel hat nicht mehr die gleiche Bedeutung wie vor 15 Jahren, er ist schon lange kein Wachstumstreiber mehr“, erklärt Michael Böhmer, Chefvolkswirt der Prognos AG, bei der Vorstellung der Studie in München – und verweist auf globale Handelsdaten. Demnach hat der Anteil des Warenhandels an der Wirtschaftsleistung bis zur Finanzkrise stark zugenommen, seither stagniert er aber (siehe Grafik).
Geschäftsmodell Deutschland in Gefahr: „Nur Autos nach China liefern, reicht nicht“© Bereitgestellt von Merkur
Foto © Prognos AG, Bayern LB, Grafik: Münchner Merkur
Deutsche Wirtschaft muss sich schnell anpassen
„Unsere Zukunft liegt nicht darin, weiter Autos und Maschinen nach China zu verkaufen“, gibt Michael Böhmer zu bedenken. Die deutsche Wirtschaft müsse sich schnell anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das sei vor allem in drei Bereichen möglich: Zum einen auf Ebene der Produkte. So sollen erstens etwa in der Industrie hybride Geschäftsmodelle eine größere Bedeutung erlangen, bei denen nicht nur Waren, sondern zugleich deren Reparatur und Wartung verkauft werde. „Damit kann Deutschland von seiner Führungsposition in Bereichen wie dem Maschinenbau profitieren“, so Böhmer. Zudem sollten verstärkt Zukunftsbranchen bespielt werden. Als Beispiel nennt die Studie Klima- und Umwelttechnik, wo deutsche Unternehmen bereits jetzt hohe Marktanteile haben und teils sogar Weltmarktführer sind. „Das ist ein echtes Wachstumssegment mit einem Startvorteil für die deutsche Wirtschaft“, glaubt Prognos-Forscher Böhmer.
Zweitens sollten deutsche Firmen sich stärker auf den europäischen Heimatmarkt konzentrieren. Hier würden beispielsweise auch die Zukunftstechnologien aus dem Umweltbereich in den kommenden Jahren stark nachgefragt. Außerdem sei es „risikoärmer, in Europa Geschäfte zu machen“, sagt Böhmer. Drittens sei stärkere Diversifizierung der Absatzmärkte angebracht. Als spannende Zielmärkte nennen die Forscher die ASEAN-Region mit Vietnam, Südamerika mit Brasilien, Nordafrika mit Ägypten sowie Kenia. Auch für die Politik hat die Studie Empfehlungen. Sie müsse die Transformation mit Freihandelsabkommen unterstützen und vor allem die Energiewende umsetzen, um der Industrie verlässlich und preiswert Energie bereitzustellen. „Am Ende müssen es aber die Unternehmen selbst richten“, sagt Böhmer. „Sie können dabei schon auf viele Stärken setzen.“