Röhrenproduktion in China© Getty
Die deutschen Maschinenbauer sind vorsichtig geworden. Diese riesige Branche mit Tausenden Unternehmen und Hunderttausenden Beschäftigten konnte viele Jahre lang entspannt mit der Frage umgehen, welcher ihr größter Einzelmarkt ist. Amerika und China sind seit Langem gleichauf, mal liegt das eine Land vorne, mal das andere. Rund 10 Prozent der Exporte gehen hierhin wie dorthin, alles bestens. Spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine aber hat sich die Perspektive verändert: Was, wenn der chinesische Markt, so wie der russische, wegbricht, weil ein weiterer Krieg es unausweichlich macht, diesmal gegen Taiwan?
Viele raten den Unternehmen, sich neue Märkte zu suchen – Branchenpräsident Karl Haeusgen vorneweg. Den China-Anteil kann kein einzelnes Land beisteuern, es geht um Diversifizierung. Das dürfte schwierig genug sein, denn die deutschen Maschinenbauer sind ohnehin schon in beinahe jedem Winkel der Erde aktiv. Wo sollen da mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz zusätzlich herkommen? Es ist die Größenordnung, um die es geht. Und es gibt Unternehmen, die sogar deutlich mehr als jene 10 Prozent ihres Geschäfts in China machen.
Einst Pioniere, nun abhängig
Es handelt sich nicht etwa um eine verlängerte Werkbank, sondern um einen „vollwertigen Sondermaschinenbauer“, mit allem Drum und Dran: Produktion, Montage, Entwicklung, Vertrieb, Service. Leitung und Geschäftsführung sind deutsch. Außerdem gibt es ein halbes Dutzend weitere, kleinere Beteiligungen in China. Aber nicht nur die Größe ist bemerkenswert, sondern auch die komplette Eigenständigkeit. Heute sei das in dem Land kaum noch möglich, sagt Sandlos. Aber im Jahr der Gründung, 1998 also, sei Ruhlamat ein Pionier gewesen – wenn man einmal absieht von Volkswagen, die schon seit den Achtzigerjahren in China aktiv, aber schließlich ein ganz anderes Kaliber seien.
Sondermaschinenbau bedeutet, dass Ruhlamat für beinahe jede Anwendung die passende Maschine bauen kann. In der Pandemie etwa waren es auch solche zur Herstellung von Schutzmasken. Viel bedeutender ist für das Unternehmen allerdings die Automobilindustrie, genauer: die Zulieferer. Da trifft es sich gut, dass Bosch ebenfalls in Suzhou eine Milliarde Euro in ein neues Werk investieren will. Die Thüringer werden sicher profitieren. Eine ihrer Stärken ist die Automatisierung von Montagelinien, ein Markt, der in Deutschland weitgehend gesättigt ist. In China sehe das anders aus. Dort, sagt Sandlos, gebe es ein „unglaubliches Potential“. Der Auftragseingang dort sei „phänomenal“. Wenn er Ruhlamat in den nächsten Jahren einen Umsatz von 200 bis 250 Millionen Euro zutraut, dann hat das viel mit den Möglichkeiten in China zu tun.
Der Schatten der Taiwanfrage
Wäre da nicht der Schatten der Taiwanfrage. Über die richtige Strategie wird bei Ruhlamat seit ungefähr einem Jahr intensiv diskutiert. Das Unternehmen ist Teil der Mack-Gruppe, die vier Maschinenbauunternehmen unter ihrem Dach vereint. Die anderen drei sind Zwerge im Vergleich zu Ruhlamat. „Wir haben noch keine richtige Antwort gefunden“, gibt Sandlos offen zu. Würden die Thüringer ihre so dominante und wichtige chinesische Tochtergesellschaft verkaufen, wäre das Ergebnis „ein Konkurrent vor der eigenen Tür“.
Operativ und finanziell habe man die deutsche und chinesische Gesellschaft zwar „weitestgehend“ entflochten, insofern würden in Thüringen nicht die Lichter ausgehen, käme es zum schlimmsten Fall. Aber natürlich wäre dieses Szenario für Ruhlamat ein „absolutes Desaster“. Da ist die sanfte Landung in der Pandemie ein geringer Trost. Zwar sei seit 2019 kein Besuch in China mehr möglich gewesen, die Quarantänevorschriften hätten das verhindert. Aber das sei verkraftbar gewesen, der sehr eigenständigen deutschen Leitung in Suzhou und neuen Onlineformaten sei Dank. Bleibt Sandlos und Co. vorerst nur die „Hoffnung, dass es nicht so endet wie in Russland“, also mit dem kompletten Zusammenbruch eines Marktes. Allerdings seien die Verflechtungen zwischen China und Deutschland, abgesehen vom eigenen Unternehmen, so groß, dass er sich das heute kaum vorstellen könne.