Vize-Generalstaatsanwältin Lisa Monaco an einer Pressekonferenz im Justizministerium. Nathan Howard / AP© Bereitgestellt von Neue Zürcher Zeitung Deutschland
Russischer Staatsbürger, wohnhaft in Schanghai, Betreiber einer internationalen «Kryptobörse» in Hongkong – wer dachte, sich mit einer derart exotischen Konstellation bei der Abwicklung unkoscherer Geschäfte vor strafrechtlichen Konsequenzen schützen zu können, dürfte spätestens seit diesem Mittwoch nervös werden. Denn an diesem Tag gab die stellvertretende Generalstaatsanwältin Lisa O. Monaco in Washington bekannt, die «Kryptobörse» Bitzlato sei nach umfangreichen, internationalen Ermittlungen mit sofortiger Wirkung geschlossen und ihr Betreiber Anatoli Legkodimow in Miami vom FBI verhaftet worden.
Damit bestätigt sich, was Fachleute schon eine Weile andeuten und was sich seit der jüngsten Verhaftung des FTX-Pleitiers Sam Bankman-Fried auf den Bahamas ziemlich konkret abzeichnete – die Ansiedlung von Unternehmen mit seltsamen, über die internationalen Grenzen und Normen hinausgehenden Geschäftsmodellen in Steuer- oder sonstigen Oasen nützt wenig, wenn amerikanische und internationale Behörden im Zweifel auf die verantwortlichen Personen zugreifen und gleichzeitig die nötige Infrastruktur stilllegen können.
Schlag gegen die Krypto-Kriminellen
Sie warf der nun stillgelegten «Kryptobörse» vor, gegen den USA Patriot Act und damit gegen das nach 9/11 beschlossene Gesetz zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terror-Finanzierung verstossen zu haben, indem sie unter anderem illegale Mittel russischer Cyber-Erpresser gewaschen habe. Sie soll mehr als 700 Dollar in Kryptowährungen mit dem vor einem dreiviertel Jahr geschlossenen Dark-Net-Markt Hydra ausgetauscht und mehr als 15 Millionen Dollar an Ransomware-Einnahmen weissgewaschen haben. Hydra Market galt einst als weltgrösster, illegaler Online-Marktplatz für Drogen, gestohlene Finanzinformationen, gefälschte Ausweisdokumente und so weiter.
«Ob Du von China oder Europa aus gegen unsere Gesetze verstösst oder ob Du unser Finanzsystem von einer tropischen Insel aus missbrauchst, Du solltest davon ausgehen, dass Du Dich in einem Gerichtssaal der Vereinigten Staaten für Dein Verbrechen verantworten musste,» sagte die Frau vom amerikanischen Justizministerium im Rahmen einer Pressekonferenz. Sie spielte damit offensichtlich auch auf die Aktivitäten des FTX-Mitbegründers an, der sein Krypto-Schein-Imperium von den Bahamas aus geleitet hatte und der sich inzwischen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mit Betrugsvorwürfen auseinandersetzen muss.
Das Justizministerium wirft Anatoli Legkodimow, dem in China lebenden, russischen Bitzlato-Hauptaktionär, vor, ein «High-Tech-Finanzzentrum» betrieben zu haben, das sogar gemäss seinen eigenen Worten ‹bekannte Gauner› bediente. Das Unternehmen soll die Identität seiner Nutzer nicht wirksam überprüft und trotz gegenteiliger Behauptungen in erheblichem Umfang Geschäfte mit in den USA ansässigen Kunden getätigt haben. Auf dieser Basis untersagt das Financial Crimes Enforcement Network (Fincen) des amerikanischen Finanzministeriums künftig allen Banken, wesentliche Geldtransfers zu tätigen, an welchen Bitzlato auch nur im Entferntesten beteiligt gewesen wäre. Dabei bezieht man sich unter anderem auf den Abschnitt 9714(a) des Combating Russian Money Laundering Act, der illegale russische Finanzgeschäfte verhindern soll, weil solche die nationale Sicherheit der USA und die Integrität des amerikanischen Finanzsektors bedrohten.
Die Franzosen nehmen die Server vom Netz
Die Amerikaner agieren keineswegs allein. Sie werden in diesem Fall von französischen Behörden unterstützt, die unter anderem die Infrastruktur für die digitalen Geschäfte stillgelegt und Krypto-Währungsbestände beschlagnahmt haben. «Ce service a fait l’objet d’une sasie juducaire,» heisst es heute dort, wo Bitzlato noch vor kurzem seinen Web-Auftritt gehabt haben mag. Die «Kryptobörse» diesen namens war der Allgemeinheit in der Vergangenheit zwar nicht gerade bekannt, allerdings soll sie in den vergangenen fünf Jahren Transaktionen im Gegenwert von etwa fünf Milliarden Dollar verarbeitet haben. Volumen- und Wertangaben gelten in der Krypto-Szene ohnehin als Schall und Rauch, weil sie regelmässig und zum Teil sogar massiv von manipulativen Transaktionen verzerrt werden.
Die früheren Bitzlato-Nutzer scheinen von der Zwangsschliessung völlig überrascht worden zu sein. Wenige Minuten nach der Ankündigung des amerikanischen Justizministeriums füllte sich eine russischsprachige Telegram-Gruppe mit Beschwerden über die Massnahmen der amerikanischen Behörden. «Die USA bedrängen Russland von allen Seiten», hiess es dort unter den mehr als 5.500 Mitgliedern. Das amerikanische Justizministerium dagegen brachte nüchtern die wesentliche Botschaft auf den Punkt, künftig zusammen mit den Verbündeten alle aufzuspüren, die Krypto-Tools zur Umgehung der Russland-Sanktionen nutzten. Längst arbeite man daran, die Expertise in diesem Bereich kräftig auszubauen – und der Erfolg lasse sich unter anderem daran ablesen, wie schnell Sam Bankman-Fried nach seiner Pleite mit FTX verhaftet und in die USA ausgeliefert worden sei.