Seit Jahresbeginn haben Kryptowährungen die Hälfte ihres Werts eingebüßt. Doch zwei Gründe sprechen dafür, dass die Talfahrt von Bitcoin und Co. ihren Boden erreicht haben dürfte.
Die straffere Geldpolitik setzt Kryptowährungen wie dem Bitcoin zu. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Wirtschaftswoche
Es ist noch gar nicht lange her, da überboten sich Analysten der großen Banken gegenseitig mit Prognosen zum künftigen Bitcoin-Kursstand. Angetrieben von der Kursrally des vergangenen Jahres waren den Wachstumsfantasien keine Grenzen gesetzt. Die US-Großbank JP Morgan beispielsweise prophezeite der ältesten und bekanntesten Kryptowährung ein langfristiges Kursziel von 146.000 Euro. Das entspräche vom aktuellen Niveau aus einer Wertsteigerung um 630 Prozent.
Zuletzt dümpelte der Bitcoin bei der Marke um 20.000 Dollar. Seit Jahresbeginn hat er gut die Hälfte seines Werts eingebüßt. Bei kleineren Cyberdevisen sieht es ähnlich aus. Seit die Notenbanken im Januar angesichts der hohen Inflation mit der geldpolitischen Straffung begonnen haben, stehen spekulative Anlageklassen wie Kryptowährungen unter Druck.
Anleger beobachteten sehr genau, wie entschlossen die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Zinsen anhebt. Als im Januar neue Fed-Protokolle publik wurden und eine hohe Bereitschaft zu Zinserhöhungen offenbarten, sackte der Bitcoin-Kurs von etwa 47.000 zunächst auf 35.000 Dollar ab.
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Für Krypto-Anleger war 2022 bislang ein Horrorjahr. Manche Analysten befürchten, dass der Kurs sogar noch weiter absacken könnte. Ausgeschlossen ist das nicht. Doch zwei Gründe sprechen dafür, dass das Schlimmste überwunden ist und der Bitcoin seinen Boden erreicht hat.
Höhere Zinsen sind eingepreist
Die Rede von Fed-Chef Jerome Powell auf der viel beachteten Notenbankerkonferenz in Jackson Hole Ende August war von vielen Anlegern mit Spannung erwartet worden. Powells Botschaft war unmissverständlich: Die Fed werde im Kampf gegen die Inflation die Zinsen weiter anheben – und zwar so stark, dass die Wirtschaft „einige Schmerzen“ haben werde.
Der Schock am Kryptomarkt aber blieb aus, die Kurse gaben nur leicht nach – genau wie beim Technologieindex Nasdaq. Auch die täglichen Kursausschläge sind niedriger geworden. Es scheint, als gehe es nach monatelangem Abwärtstrend nicht mehr weiter nach unten.
Dass die Zinswende angesichts der hohen Inflation durchgezogen wird, haben die Marktteilnehmer offenbar verinnerlicht. Wenn Notenbanker diesen Kurs nun bekräftigen, überrascht das nicht mehr sonderlich. Die steigenden Zinsen könnten mittlerweile weitgehend eingepreist sein.
Gleichzeitig haben Anleger die Fed-Sitzung in gut zwei Wochen im Blick und sichern sich mit Derivaten ab. Mit diesen Optionen können Anleger auf die künftige Entwicklung eines Basiswerts – wie auch dem Bitcoin – wetten – und sich vor Kursrisiken schützen.
Die Schwelle von 20.000 Dollar ist für den Bitcoin eine psychologisch wichtige Marke. Auch die jüngste Historie spricht dafür, dass Anleger hier momentan den Wert der Kryptowährung ansetzen. Mitte Juni sackte der Bitcoin-Kurs zwischenzeitlich auf unter 18.000 Dollar. Ein Novum: Bis dato war es nie vorgekommen, dass der Kurs in einem neuen Rallyzyklus den Höchststand einer alten Hausse unterschritten hatte. Daraus schlugen Anleger Profit: Schnäppchenjäger hievten den Kurs wieder auf knapp 21.000 Dollar.
Wer verkaufen wollte, hat verkauft
Der Bitcoin-Chart spiegelt die Stimmung der Anleger wider. Während der Hochphase im vergangenen November, als die Digitalwährung ihren bisherigen Rekord bei gut 69.000 Dollar geknackt hatte, war der Markt besonders euphorisch.
Die Stimmung am Krypto-Markt misst der „Fear-and-Greed-Index“ (zu Deutsch: Angst und Gier) der Analyseplattform Alternative. Der Index basiert auf Daten zu Volumen und Volatilität. Aktuell steht das Barometer auf „extreme Angst“ beziehungsweise bei einem Wert von 23 von 100 Punkten. Tendenziell gilt: Je niedriger der Wert, desto unwahrscheinlicher ist ein weiterer Kursrückgang, weil verkaufswillige Anleger ihre Positionen bereits abgestoßen haben.
Krypto-Anleger sollten sich allerdings nicht blind auf solche Daten verlassen. Im Juni beispielsweise notierte der „Fear-and-Greed-Index“ sogar nur einstellig, trotzdem gab der Bitcoin-Kurs weiter nach. Auch jetzt sind weitere Kursrücksetzer nicht ausgeschlossen. Letztlich können Marktdaten nur ein grobes Stimmungsbild liefern. Und die Stimmung kann in der Welt der Kryptowährungen rasch umschlagen.