Zitat von Gast am 4. Oktober 2023, 11:57 Uhr
Drohender Konflikt mit EU-Staaten: Parlament will EU-Haushalt stark aufstocken
Streit ist programmiert: Alleine kann das Parlament nicht entscheiden, auch die Staaten müssen zustimmen.© Reuters
Als die Europäische Union ihren Finanzrahmen für die Budgets 2021 bis 2027 und den Corona-Aufbaufonds verabschiedet hat, waren weder Ukrainekrieg noch Inflation und hohe Zinsen abzusehen. Mit diesem Argument hat die Europäische Kommission im Juni eine Aufstockung des 2-Billion-Euro-Pakets (in aktuellen Preisen) um 65,8 Milliarden Euro vorgeschlagen. Das EU-Parlament geht nun noch einmal darüber hinaus: Das Plenum hat sich am Dienstag mit großer Mehrheit von 393 zu 136 Simmen dafür ausgesprochen, nochmals 10 Milliarden Euro daraufzulegen.
Von den insgesamt dann rund 76 Milliarden Euro Zuschlag sollen 17 Milliarden Euro an die Ukraine fließen. Inklusive 33 Milliarden Euro an Krediten soll die Ukrainehilfe 50 Milliarden Euro umfassen. 19 Milliarden Euro sind für die höheren Zinszahlungen vorgesehen, die für den Corona-Aufbaufonds anfallen. Das entspricht weitgehend dem Vorschlag der Kommission. Die für die Zinszahlungen vorgesehenen Mittel sollen dabei künftig faktisch aus dem Haushalt ausgeklammert werden. Sollten die Zinsen weiter steigen, könnte dieser Posten so automatisch, also ohne dass ein Beschluss nötig wäre, weiter steigen.
„Uns geht es nicht um goldene Wasserhähne“
Mehr Geld wollen die Abgeordneten auch für die „Strategic Technologies for Europe Platform“ (STEP) bereitstellen. Die Kommission hatte STEP statt des viel umfassenderen Souveränitätsfonds vorgeschlagen, den etwa Italien oder Frankreich auch als Antwort auf den Inflation Reduction Act der USA gefordert hatten. Die Kommission hat dafür 10 Milliarden Euro vorgesehen. Mit dem Geld will sie Investitionen privater Unternehmen anstoßen, sodass insgesamt 160 Milliarden Euro bereitstehen. Das Parlament fordert 3 Milliarden Euro mehr dafür.
„Uns geht es nicht um goldene Wasserhähne, sondern um eine angemessene Ausstattung der EU“, sagte der SPD-Abgeordnete Jens Geier. Die EU müsse auf unvorhersehbare Krisen reagieren können, ohne bestehende Programme finanziell auszuhöhlen. „Der Vorschlag der Kommission, zusätzliche Mittel vorzusehen, ist absolut richtig, aber nicht ausreichend“, sagte der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary.
Allein kann das Parlament das allerdings nicht entscheiden. Auch die Staaten müssen zustimmen. Die einstimmige Entscheidung soll nach bisheriger Planung auf dem Gipfel im Dezember fallen. So weit wie das Parlament werden die EU-Chefs dann kaum gehen. Eine Gruppe von Staaten um Deutschland ist bisher nur bereit, die Hilfen für die Ukraine zu finanzieren. Auch das soll möglichst außerhalb des Haushalts ohne die Einbeziehung des Parlaments geschehen.
„Lockdown“ wie in USA droht nicht
Damit droht ein Konflikt zwischen den beiden EU-Institutionen. Das beginnt beim Zeitplan. Das Europaparlament dringt auf eine Einigung vor Jahresende. Das aber ist so gut wie unmöglich, wenn die Staaten erst auf dem Dezembergipfeltreffen kurz vor Weihnachten ihre Position beschließen. Der EU-Abgeordnete der Grünen Rasmus Andresen warf den Staaten vor, die Einigung herauszuzögern. Er forderte einen Sondergipfel, um eine rasche Einigung zu erzielen.
Das Europaparlament argumentiert, dass das zusätzliche Geld im Haushalt 2024 teilweise schon eingeplant ist. Kurz: Ohne Aufstockung des Finanzrahmens 2021 bis 2027 kann der Haushalt 2024 nicht in der vorhergesehenen Form beschlossen werden. Es wäre zwar möglich, ihn ohne Aufstockung zu verabschieden und dann im Januar oder Februar einen Nachtragshaushalt zu verabschieden. Das aber wollen große Teile des Parlaments nicht, auch um Druck aufzubauen.
Anders als in den Vereinigten Staaten droht der EU Anfang Januar kein „Lockdown“, wenn es keinen Haushalt 2024 gibt. Die Mittel würden aber auf dem Vorjahresniveau eingefroren und außerdem nur Monat für Monat ausgezahlt.