Die Inflation im Euroraum hat dank sinkender Energiepreise deutlich nachgelassen, der Preisschub in Ländern wie Deutschland lässt merklich nach. Die EZB kann sich aber noch nicht in Sicherheit wiegen.
Inflation im Euroraum schwächt sich im Mai überraschend stark ab© Thomas Lohnes / AFP
Die Inflation im Euroraum hat dank sinkender Energiepreise deutlich nachgelassen. Die Verbraucherpreise legten im Mai binnen Jahresfrist nur noch um 6,1 Prozent zu, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. In wichtigen Euroländern wie Deutschland, Frankreich und Italien ließ der Preisschub sogar erheblich nach.
Der Rückgang der Teuerungsrate fiel zudem stärker aus als erwartet. Volkswirte hatten mit einer höheren Inflation von 6,3 Prozent gerechnet. Noch im April war die Inflationsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft leicht auf 7,0 Prozent gestiegen, nach 6,9 Prozent im März.
Inflationsziel von zwei Prozent liegt noch entfernt
Die Euro-Notenbank hat sich seit Juli 2022 mit einer Serie von sieben Zinsanhebungen in Folge gegen die hohe Inflation gestemmt. Der kräftige Rückgang der Teuerung zeigt, dass der Straffungskurs langsam seine Wirkung in der Wirtschaft entfaltet. Von Entwarnung kann aber noch keine Rede sein. Denn das mittelfristige Inflationsziel der EZB von zwei Prozent liegt noch weit entfernt.
Zuletzt hatten mehrere Währungshüter es für wahrscheinlich gehalten, dass die EZB im Juni und im Juli die Zinsen um jeweils weitere 0,25 Prozentpunkte nach oben setzen wird. Damit würde der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, im Juli auf 3,75 Prozent steigen. Aktuell liegt er bei 3,25 Prozent.
EZB-Präsidentin Lagarde machte am Donnerstag auf dem Sparkassentag in Hannover deutlich, dass die Notenbank entschlossen ist, die Inflation zeitnah auf das mittelfristige Ziel von zwei Prozent nach unten zu bewegen. »Daher müssen wir unseren Erhöhungszyklus fortsetzen, bis wir genug Zuversicht haben, dass sich die Inflation auf einem guten Weg befindet«, sagte sie. Es gebe keinen eindeutigen Beleg dafür, dass die zugrunde liegende Inflation ihren Höchststand erreicht habe. In dieser sogenannten Kerninflation sind die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausgeklammert.
Problematischer Anstieg der Arbeitskosten
Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer blickt vor allem auf die Kerninflation. Dieses von den Währungshütern besonders beachtete Inflationsmaß sank im Mai auf 5,3 Prozent, nach 5,6 Prozent im April. Die Kernrate gilt als guter Indikator für den Inflationstrend. Die wirklich gute Nachricht ist laut Krämer, »dass die Kerninflation ohne Energie-, Nahrungs- und Genussmittel zum ersten Mal seit Langem deutlich gefallen ist, wobei der Rückgang schätzungsweise nur zu einem Drittel auf das ›Deutschlandticket‹ zurückgeht«. Seiner Ansicht nach sollte sich die EZB aber nicht zu früh freuen. Der sich rasch beschleunigende Anstieg der Arbeitskosten dürfte verhindern, dass die Kerninflation mittelfristig wieder in den Bereich von zwei Prozent falle, glaubt der Experte.
Die Energiepreise, die noch im vergangenen Jahr maßgeblich für den massiven Inflationsschub verantwortlich waren, gingen im Mai binnen Jahresfrist um 1,7 Prozent zurück, nach einem Anstieg von 2,4 Prozent im April. Weiterhin kräftig blieb der Preisauftrieb bei Lebensmitteln und Genussmitteln, auch wenn er im Mai etwas nachließ. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak zogen um 12,5 Prozent an, nach einem Plus von 13,5 Prozent im April. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 5,8 Prozent nach zuvor 6,2 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich im Mai um 5,0 Prozent, nach 5,2 Prozent im April.