AfD und Linke zu Kampfpanzern
Die Katastrophe
Die Katastrophe© T - Online
Für viele Politiker ist die Panzer-Entscheidung ein Befreiungsschlag. An den Rändern des politischen Spektrums sieht das ganz anders aus. Trotzdem könnte sie für AfD und Linke zum Glücksfall werden.
Der Saal klatscht, die Stimmung im Bundestag ist gut. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat beschlossen, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Für viele im Bundestag ist das ein lang erwarteter Befreiungsschlag. Die FDP, die Grünen, die CDU – sie drängen schon lange auf mehr Unterstützung für die Ukraine, gerade mit Waffen.
Petr Bystron blickt anders auf die aktuelle Lage. Die Stimmung sei "bedrückt" im Saal, konstatiert der AfD-Außenpolitiker, als er sich für eine Frage an den Kanzler gemeldet hat. "Nie wieder Krieg, keine Waffen in Kriegsgebiete – das waren die Fundamente der deutschen Außenpolitik der Nachkriegszeit", sagt er an Scholz gerichtet. "Sie werden in die Geschichte eingehen als der Kanzler, der diese Fundamente mit Füßen getreten hat!"
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Und nun, nach Helmen, Luftabwehrsystemen und leichteren Panzern wird Deutschland also auch Kampfpanzer liefern. Die ganz schweren Geschütze.
Kritik an "Kriegstreiberei", Warnung vor "Eskalation"
Das Entsetzen ist am Mittwoch in beiden Parteien groß. "Durch die Entscheidungen für Panzerlieferungen dreht die Bundesrepublik mit an der Eskalationsspirale", sagt Martin Schirdewan, Chef der Linken, zu t-online. "Es ist zu befürchten, und diese Sorge teilen viele Menschen im Land, dass wir uns immer mehr von einer diplomatischen Lösung entfernen."
Linken-Ikone Sahra Wagenknecht formuliert es noch schärfer: "Einknicken von Scholz ist Katastrophe", twittert sie. "Was ist mit seinem Versprechen, Deutschland vor direkter Kriegsteilnahme zu schützen?"
Wagenknechts Vertraute in der Linken-Fraktion, Außenpolitikerin Sevim Dagdelen, sieht die USA als Strippenzieher: Die Entscheidung der Ampel "auf Geheiß Washingtons" bereite den Weg in den Krieg. "Es gilt jetzt, den Kriegstreibern in den Arm zu fallen!"
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Ganz ähnlich sind die Töne in der AfD. "Deutschland droht immer mehr zur Kriegspartei zu werden – mit unabsehbaren Folgen für unser Land und seine Bürger", sagt Alice Weidel, Partei- und Fraktionschefin der AfD, t-online. "Nach den Kampfpanzern werden Flugzeuge gefordert, nach diesen dann Logistiktruppen, damit mehr Ukrainer an die Front kommen, irgendwann dann Kampftruppen." Die AfD-Fraktion fürchte eine "Eskalation des Krieges".
"Unverantwortlich und gefährlich", nennt Weidels Co-Parteichef Tino Chrupalla die geplanten Panzerlieferungen. Und Ex-Soldat und AfD-Abgeordneter Hannes Gnauck, der vom Militärischen Abschirmdienst als Rechtsextremist beobachtet wird, schreibt unter der Verwendung des Hashtags #Kriegstreiber auf Twitter: "Die BRD schreitet sehenden Auges in die Katastrophe."
Deutschland ist gespalten in der Panzerfrage
Tatsächlich könnte die von beiden Parteien skizzierte Katastrophe aber eher ein demoskopischer Glücksfall für sie werden. Selten waren sie in der jüngeren Vergangenheit so nah dran an großen Teilen der öffentlichen Meinung.
Denn tatsächlich spaltet die Frage der Lieferung schwerer Kampfpanzer die Bevölkerung in Deutschland derzeit. Ungefähr 50 Prozent dafür, 50 Prozent dagegen – so fallen in diesen Tagen die meisten Umfragen zu dem Thema aus. Besonders stark ist die Ablehnung im Osten sowie unter den jüngeren Altersgruppen in Ost wie West.
Es ist ein Thema, das verfängt, ja gehörig aufrüttelt. Nachdem der "heiße Herbst" gescheitert ist, in dem Linke wie AfD eigentlich Hunderttausende gegen die Energiepolitik der Ampel auf die Straße treiben wollten, ist das mal wieder ein politischer Erfolg. Und nun hat sich mit dem bisher so zögerlichen Kanzler und der SPD auch noch die letzte große Partei ins Lager für die Lieferung schwerer Waffen geschlagen.
Fraglich bleibt, ob die Stimmung auch bei den Parteien am Rand einzahlen wird: Bisher jedenfalls stehen AfD wie Linke in jüngsten Umfragen noch recht unverändert bei rund 15 beziehungsweise 6 Prozent Zustimmung. Klar ist aber: Nicht nur Weidel und Schirdewan werden die Umfragen in den kommenden Tagen und Wochen genau studieren – sondern auch der Kanzler, der so lange zögerte.