Problem gelöst: Am 6. November 2022 demonstrieren serbische Kosovaren gegen die Nummernschildregelung. Seit dieser Woche ist der Konflikt beigelegt.© EPA
Gute Nachrichten aus dem Kosovo: Der serbisch-kosovarische „Nummernschildstreit“ ist im zweiten Anlauf durch einen von der EU vermittelten Kompromiss doch noch entschärft worden, zumindest einstweilen. Demnach wird die kosovarische Regierung darauf verzichten, im Kosovo lebende Serben, deren Fahrzeuge noch serbische Nummernschilder haben, mit Geldstrafen zu belegen oder gar ihre Autos zu konfiszieren, wie es angedroht war.
Der Prozess der Umregistrierung von serbischen auf kosovarische Nummernschilder wird gestoppt. Zugleich wird Serbien für Antragsteller aus dem Kosovo keine serbischen Kennzeichen mehr ausgeben. Niemand wird also gezwungen, ein aktuelles Fahrzeug umzumelden. Bei Anschaffung neuer Wagen soll es künftig aber nur noch kosovarische Kennzeichen geben. Damit, so die Erwartung, wird sich die leidige Sache mit den Jahren von selbst lösen.
Seit 2010 Gespräche zur Visumpflicht
Bei den Versuchen, die Visumpflicht zu überwinden, sind kosovarische Regierungen seit 2010 oft schikanös behandelt worden. Immer neue Bedingungen wurden Prishtina auferlegt, und sobald sie erfüllt waren, kamen wiederum neue hinzu. So verlangte die EU von Prishtina ein Abkommen zur Grenzdemarkation mit Montenegro, bei dem das Kosovo dem Nachbarn territoriale Zugeständnisse machen musste. Immerhin sprach die Kommission die Empfehlung aus, die Visumpflicht aufzuheben, nachdem das Grenzabkommen 2018 unter Mühen ratifiziert worden war.
Doch einige Mitgliedstaaten sperrten sich weiter, allen voran Frankreich. Abgesehen von populistischen Gründen, hatte Paris anfangs auch gute Gründe für Skepsis. So beantragten 2015 fast 70.000 Bürger aus dem Kosovo Asyl in der EU, an erster Stelle in Frankreich. Dass Zehntausende Kosovaren in der EU Asyl wollten, warf die Frage auf, inwieweit das Land eigentlich reif sei für die Aufhebung der Visumpflicht. Inzwischen spielen Kosovaren in europäischen Asylstatistiken kaum noch eine Rolle. In Frankreich wurden 2021 nur noch 855 kosovarische Asylanträge registriert.
Dennoch bremste Frankreich weiter, obwohl das Kosovo nach mehrfacher klarer Feststellung der EU-Kommission seit Jahren alle Bedingungen für die Reisefreiheit erfüllt. Dies betrifft etwa die Einführung biometrischer Pässe und ein fälschungssicheres System für Sekundärdokumente wie Geburtsurkunden.
Russlands Krieg gegen die Ukraine brachte Bewegung
Zuletzt verlangte Frankreich jedoch auch noch, die Einführung der Visumfreiheit für das Kosovo sei aufzuschieben, bis in Europa das ETIAS-System eingeführt ist. ETIAS ist das Akronym der englischen Bezeichnung für das nach amerikanischem Vorbild entworfene „Europäische Reiseinformations- und Genehmigungssystem“ der EU. Bürger aus den mehr als 60 Staaten, die kein Visum für die Einreise in die EU benötigen, sollen in diesem System künftig ihre wichtigsten persönlichen Daten vor Reiseantritt elektronisch hinterlegen müssen.
Automatisiert wird dann geprüft, ob die betreffende Person eine Gefahr für die EU darstellen könnte. Wird eine Gefahr erkannt, wird die Einreise abgelehnt. „Wir müssen wissen, wer unsere Grenzen überschreitet. Auf diese Weise werden wir wissen, wer nach Europa reist, bevor sie hierherkommen“ – so pries der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Bedeutung des Systems, dessen Einführung sich seit Jahren immer wieder verzögert.
Russlands Krieg gegen die Ukraine scheint jedoch indirekt auch im Fall Kosovo Bewegung gebracht und einen einigenden Effekt gehabt zu haben. Unter der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft gab es zuletzt Fortschritte. Womöglich steht gar ein Durchbruch bevor, wenn auch kein rascher. Demnach wollen die EU-Staaten zustimmen, dass kosovarische Bürgerinnen und Bürger ab Januar 2024 visumfrei in die EU einreisen dürfen. Mehrere Länder, so Österreich, wollten die Visumpflicht schon zur zweiten Hälfte 2023 fallen sehen.
Furcht vor Asylwelle ist unbegründet
Dann wird jedoch Spanien die Ratspräsidentschaft innehaben, das neben Rumänien, der Slowakei, Griechenland und Zypern zu den fünf Mitgliedstaaten gehört, die das Kosovo aus innenpolitischen Gründen nicht anerkennen. Spanien sperrt sich dem Vernehmen nach ebenso wenig wie die anderen vier Nichtanerkenner gegen die Visumfreiheit für das Kosovo, wolle diesen Schritt aber nicht ausgerechnet in der eigenen Ratspräsidentschaft gehen, wird berichtet.
Kommt es zu einer Visumfreiheit für das Kosovo ab 2024, wäre das trotz der vielen Verzögerungen ein Erfolg für die EU in der Region, der auch ihre zuletzt angeschlagene Glaubwürdigkeit stärken würde. Für das Kosovo kann die Visumfreiheit zudem wirtschaftlich vorteilhaft sein. Seit Jahren klagen kosovarische Geschäftsleute, dass sie wegen des Visumzwangs keine kurzfristigen Termine in EU-Staaten wahrnehmen oder Fachmessen besuchen können, wodurch ihnen wichtige Aufträge entgingen.
Eine Asylwelle aus dem Kosovo wäre ab 2024 kaum zu fürchten. Das zeigen die Erfahrungen mit Serbien, Nordmazedonien, Montenegro, Bosnien und Albanien, deren Visumpflicht 2009 und 2010 fiel. Zu einem andauernden Anstieg der Asylanträge aus diesen Ländern kam es danach nicht. Zudem nahmen die Staaten abgelehnte und abgeschobene Asylbewerber umstandslos auf – schon um ihre Visumfreiheit nicht zu gefährden.