Die Möglichkeit eines Handelskriegs zwischen den USA und der EU treibt die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission um. Sowohl die EU-Kommission als auch die tschechische EU-Ratspräsidentschaft warnten am Freitag davor, dass beide Seiten bei dem geplanten milliardenschweren Förderpaket für Unternehmen mit Sitz in den USA verlieren würden. „Ein Subventionsrennen ist ein sehr gefährliches Spiel“, sagte der tschechische Handelsminister Jozef Sikela nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. In der Regel sitze der Gewinner dann auf einem anderen Kontinent. Eine Sprecherin bestätigte, dass Sikela China gemeint habe. Tschechien hat noch bis Jahresende den Vorsitz unter den EU-Ländern inne.
Handelskrieg zwischen USA und EU: „Ein gefährliches Spiel“© Bereitgestellt von Berliner Zeitung
Präsident Joe Biden hatte im August den sogenannten Inflation Reducion Act (IRA) unterzeichnet. Es sieht Investitionen in den Klimaschutz und Soziales in Höhe von 369 Milliarden Dollar vor. Nach Ansicht der EU-Kommission werden dadurch EU-Firmen diskriminierend benachteiligt. So sind Subventionen und Steuergutschriften unter anderem daran geknüpft, dass Unternehmen Produkte aus den USA verwenden oder in den USA produzieren. Die EU dringt auf Ausnahmen, wie es sie auch für Mexiko und Kanada gibt.
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis forderte die Menschen jedoch auf, das Gesamtbild zu sehen, und betonte die Notwendigkeit, die transatlantische Einheit angesichts der russischen Invasion in der Ukraine aufrechtzuerhalten.
Die EU ist in der Frage gespalten. Vor allem die baltischen Staaten warnen vor einem Konflikt mit den USA. Der lettische EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis sagte am Freitag, die Situation in der Ukraine sei „dramatisch, mit anhaltenden russischen Angriffen auf lebenswichtige Infrastruktur“. Den Menschen werde Wasser, Wärme und Strom vorenthalten, sagte Dombrovskis. „Angesichts dieser schrecklichen Angriffe müssen wir die transatlantische Einheit vertiefen und stärken. Und wir brauchen die USA, um ihre Unterstützung aufrechtzuerhalten, damit die Ukraine diesen Krieg gewinnen kann." In diesem geopolitischen Kontext warnte Dombrovskis vor „der Gefahr, den Inflation Reducion Act mit unserer umfassenderen Beziehung zu den Vereinigten Staaten zu vermengen“. Allerdings sagte Dombrovskis auch: „Was wir fordern, ist Fairness. Wir wollen und erwarten, dass europäische Unternehmen und Exporte in den USA genauso behandelt werden wie amerikanische Unternehmen und Exporte in Europa.“
Andere EU-Länder, allen voran Frankreich, fürchten, dass das amerikanische Gesetz – wesentliche Teile davon werden am 1. Januar in Kraft treten – Investitionen aus Europa absaugen und die industrielle Basis des Blocks aushöhlen könnte. Subventionen im Wert von etwa 200 Milliarden US-Dollar seien nach den Regeln der Welthandelsorganisation illegal, sagte der französische Handelsminister Olivier Becht am Freitag in Brüssel zu Journalisten. Paris fordert eine harte Reaktion zur Durchsetzung der Reziprozität: Wenn die USA den IRA nicht ändern, sollte die EU mit „Zwangsmaßnahmen“ sicherstellen, dass europäische Unternehmen dieselben Bedingungen wie amerikanische Unternehmen erhalten, sagte Becht weiter.
Deutschland liegt eher auf einer Linie mit den Balten. Statt Zwangsmaßnahmen will die Bundesregierung eine Wiederaufnahme der Freihandelsverhandlungen. Vor einigen Jahren war das Freihandelsabkommen TTIP von Präsident Donald Trump auf den letzten Metern kassiert worden. Das Handelsblatt berichtet, beim Treffen der französischen Premierministerin Elisabeth Borne mit Bundeskanzler Olf Scholz am Freitag in Berlin habe es keine Einigung auf eine gemeinsame deutsch-französische Linie gegeben.
Ungeachtet der Tatsache, dass der IRA „grüne“ Energien fördern will, setzt die amerikanische Regierung weiter auch auf Öl und Gas. Die Maritime Administration des Verkehrsministeriums (MARAD) genehmigte in dieser Woche einen Antrag für das Sea Port Oil Terminal von Enterprise, eines von vier vorgeschlagenen Offshore-Ölexportterminals. Das geht aus den Unterlagen des Ministeriums hervor. Gemäß dem Antrag wird der Hafen im Golf von Mexiko vor der Küste von Freeport, Texas, lokalisiert sein. Es wird über eine Lagerkapazität von 4,8 Millionen Barrel verfügen und die Ölexportkapazität der USA um zwei Millionen Barrel pro Tag erhöhen. In ihrer 94-seitigen Entscheidung erklärte die Seeverwaltung, sie habe den Antrag genehmigt, weil der Bau und Betrieb des Hafens „im nationalen Interesse und im Einklang mit anderen politischen Zielen und Zielsetzungen“ liege. „Der Bau und Betrieb des Hafens liegt im nationalen Interesse, da das Projekt der Beschäftigung, dem Wirtschaftswachstum und der Widerstandsfähigkeit und Sicherheit der US-Energieinfrastruktur zugute kommt“, schreibt die Behörde. Der Hafen werde „den US-Verbündeten im Falle einer Marktstörung eine zuverlässige Rohölquelle bieten und minimale Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und die Kosten von Rohöl auf dem US-Inlandsmarkt haben“.