"I want my money back". Mit diesem berühmten Satz begann die damalige Premierministerin Maggie Thatcher 1979 ihren Kampf um den britischen EU-Beitrag. Ihr Land dürfe nicht mehr Geld an die Union zahlen, als aus EU-Töpfen nach Großbritannien fließe. Thatcher handelte den "Britenrabatt" aus. Ihren Frieden mit der EU machten die Briten dennoch nicht wirklich. 2016 stimmten sie für den Brexit.
In Deutschland war die europäische Idee stets populärer. Es ist Konsens, dass Deutschland als Land in der Mitte Europas politisch und auch wirtschaftlich besonders von der EU profitiert. Dennoch kam immer wieder einmal die Frage auf, ob der Preis, den Deutschland als Nettozahler dafür zahlt, angemessen sei.
Bis 2019 veröffentlichte die EU Zahlen zu den Nettopositionen der Mitgliedsländer. Dann beendete sie diese Praxis – weil sie die ständigen Debatten um Empfänger und Zahler leid war. Aber auch, weil sie diese Rechnung in einer immer enger verwobenen Union für wenig aussagekräftig hält. Der frühere deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) nannte sie sogar "Blödsinn".
Der deutsche Nettobeitrag sei von 2020 auf 2021 sehr stark um 5,9 Milliarden Euro gestiegen, schreibt das IW. Die Ökonomen führen dies auf den Brexit, den EU-Austritt Großbritanniens, zurück. Denn danach mussten Finanzströme neu geordnet werden.
Insgesamt waren nach Rechnung des IW im Jahr 2021 zehn EU-Staaten Nettozahler, 17 Mitgliedsländer Nettoempfänger. In den Top fünf der Zahlerländer folgen auf Deutschland und Frankreich: die Niederlande (4,1 Milliarden Euro), Schweden (2,5 Milliarden Euro) und Dänemark (1,5 Milliarden Euro).
Größter Nettoempfänger in der EU ist der Rechnung zufolge Polen, das 12,9 Milliarden Euro mehr von der EU erhalte als es einzahle. Mit einigem Abstand folgen Griechenland mit 4,7 Milliarden Euro, Ungarn (4,3), Rumänien (4,2) sowie Spanien (3,5).
Nun ist Deutschland auch die größte Volkswirtschaft in der EU mit den meisten Menschen. Auch Polen gehört zu den großen EU-Ländern. Das IW setzte die absoluten Beitragssalden daher ins Verhältnis zur Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl der jeweiligen Länder. Für die Wirtschaftskraft ziehen die Ökonomen das Bruttonationaleinkommen (BNE) heran. In dieser Betrachtung sind die Abstände kleiner, auch die Reihenfolge verschiebt sich etwas. Deutschland bleibe aber größter Zahler mit einem Beitrag von 0,58 Prozent des BNE. Es folgten hier die Niederlande mit 0,48 Prozent, Schweden (0,46 Prozent) sowie Frankreich und Dänemark (je 0,43 Prozent).
Bei den Nettoempfängern im Verhältnis zur Wirtschaftskraft ist Polen nicht mehr unter den größten Empfängern. Vorn liegt hier Kroatien, das in Höhe von 3,08 Prozent seines BNE von der EU profitiert. Es folgen Litauen mit 3,05 Prozent sowie Ungarn (2,89) Bulgarien und Lettland.
In der folgenden Tabelle findet ihr die Angaben für alle 27 Mitgliedsländer sowohl in absoluten Beträgen als auch im Verhältnis zur Wirtschaftskraft und zur Einwohnerzahl. Ihr könnt über das Suchfeld einzelne Länder suchen.
Debatte über Sinn und Unsinn der Nettozahlen
Das IW verband seine Auswertung mit dem Appell an die EU-Kommission, die Zahlen wieder selbst zu veröffentlichen. Dies gebiete die Transparenz. "Eine Veröffentlichung der Nettopositionen durch die Europäische Kommission selbst würde diesen Zahlen ein offizielles Siegel geben und somit beliebigen Rechnungen und verzerrten oder europakritischen Darstellungen entgegenwirken. Zudem würde dies keineswegs implizieren, dass durch eine alleinige Betrachtung der Nettopositionen der Nutzen der EU für die Mitgliedstaaten hinreichend erfasst wird. Vielmehr ist diese Information ein notwendiges Puzzleteil, um dem vollständigen Bild der EU gerecht zu werden", so das IW.
Die EU hält die Nettozahlerbetrachtung dagegen für überholt. EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn sagte dazu: „Diese Nettozahler- und Nettoempfänger-Sichtweise wird der Komplexität des EU-Budgets nicht gerecht und kann daher in dieser Form nicht mehr angewandt werden“. Oettinger hatte es 2018 drastischer ausgedrückt: „Die Nettozahlerdebatte ist zunehmend sinnentleert. (…) Bei Agrarmitteln und Kohäsion kann man noch einigermaßen erkennen: Was zahlt ein Mitgliedstaat ein, was bekommt er raus. Aber bei grenzüberschreitender Infrastruktur, gemeinsamem Grenzschutz, Forschung und Entwicklungshilfe ist die Nettozahlerbetrachtung schlicht Blödsinn“.