Ein Entwurf der EU-Kommission für entsprechende Regeln sorgte bereits für Aufregung am Energiemarkt Quelle: AP/Virginia Mayo© AP/Virginia Mayo
Sparen, abschöpfen und umverteilen – dieser Dreiklang ist Europas Antwort auf die in Rekordhöhen geschossenen Strompreise. Am Freitag wollen sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine 26 ebenfalls für Energie zuständigen Amtskollegen aus den anderen EU-Staaten auf Sofortmaßnahmen gegen die hohen Strompreise einigen.
Dabei stehen zwei Maßnahmen im Mittelpunkt: verbindliche Vorgaben aus Brüssel zum Stromsparen in Zeiten mit Spitzenverbrauch. Und der Vorschlag aus der Europäischen Kommission und einigen Mitgliedstaaten, Gewinne hochprofitabler Stromerzeuger abzuschöpfen, um sie an besonders betroffene Haushalte und Unternehmen zu verteilen.
Die Gewinnabschöpfung würde die Unternehmen treffen, die Strom besonders günstig aus Quellen wie Solarenergie, Wind-, Wasser-, Atomkraft und Kohle erzeugen. Sie machen derzeit wegen der Eigenarten des Strommarktes besonders hohe Gewinne. Denn an der Strombörse gilt: Die Höhe des Preises hängt von den Betriebskosten des teuersten Kraftwerks ab, das aktuell Strom liefert. Gegenwärtig sind das Gaskraftwerke.
„Die Mitgliedstaaten begrenzen die Einnahmen der Erzeuger (…) aus dem Verkauf von Elektrizität auf einen Höchstbetrag von 200 Euro pro MWh Elektrizität“, heißt es in dem Papier. Es handelt sich allerdings noch um einen sehr frühen Entwurf; in dem Dokument finden sich noch Anmerkungen wie „hier müssen wir noch spezifischer werden“ oder „das verstehen Laien nicht“.
Grenze von 200 Euro noch nicht das letzte Wort
Auch die Umsatzgrenze von 200 Euro pro Megawattstunde könnte sich noch ändern. „200 Euro pro Megawattstunde werden nicht notwendigerweise das letzte Wort gewesen sein“, sagt Simone Tagliapietra, Energieexperte bei der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. „Die Mitgliedstaaten werden über die endgültige Höhe sehr ausführlich diskutieren.“
Der Ökonom warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen an diese Maßnahme: „Ganz klar, die Übergewinnsteuer ist kein Allheilmittel“, sagt Tagliapietra. „Sie ist ein wichtiges Element, weil sie ein Bedürfnis nach Fairness befriedigt. Aber sie wird die Probleme auf dem Strommarkt nicht allein lösen.“
Tatsächlich ist seriös derzeit kaum vorhersehbar, was eine solche Übergewinnsteuer – die aus politischen Gründen weder auf EU-Ebene noch in Deutschland so heißen darf – tatsächlich bringen würde.
„Es ist völlig offen, wie viel Geld der Staat einnehmen kann, wenn er die Gewinne abschöpft. Es kann sein, dass er dabei weniger als erhofft einnimmt“, sagt Götz Reichert von der Freiburger Denkfabrik Centrum für Europäische Politik (CEP). „Wie hoch die Einnahmen sein könnten, hängt von vielen Faktoren ab und derzeit spielen die Märkte komplett verrückt. Niemand kann deshalb derzeit die Einnahmen seriös prognostizieren.“
Dass die möglichen Einnahmen gegenüber den geplanten Hilfen für Haushalte und Unternehmen verblassen, zeigen erste vorsichtige Schätzungen der Bundesregierung. Durch die Maßnahmen könne ein zweistelliger Milliardenbetrag umverteilt werden, prognostizierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) relativ vage.
Habeck muss sich auf lange Diskussionen einstellen, denn Italien und andere Mitgliedstaaten fordern weitergehende Maßnahmen. Sie wollen die aktuellen Regeln des Strommarktes kurzfristig ändern, um den Strompreis vom gegenwärtig hohen Gaspreis zu entkoppeln. Dadurch soll der Strompreis sinken. Ökonomen wie Tagliapietra warnen vor solch weitgehenden Eingriffen in den Strommarkt.
Auch wirtschaftsliberale Mitgliedstaaten wehren sich gegen solch weitreichende Eingriffe. „Wir sind absolut dagegen“, sagt ein EU-Diplomat. „Das würde Verbrauchern Anreize nehmen, Strom zu sparen. Und wir wissen nicht, welche Folgen ein solch radikaler Eingriff hätte.“ Tatsächlich rütteln schon die vorliegenden Vorschläge an liberalen wirtschaftspolitischen Überzeugungen: „Jeder ist bereit, sich die Vorschläge anzuschauen“, sagte ein hoher EU-Diplomat. „Vor zwei oder drei Monaten war das noch völlig anders.“
Deutschland und andere wirtschaftsliberale Mitgliedstaaten hatten sich lange gegen Eingriffe in den Energiemarkt gewehrt. „Wir hatten schwierige Diskussionen zu der Übergewinnsteuer“, sagt auch der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, gegenüber WELT. Er bezieht sich dabei auf die Abgeordneten von CDU und CSU im Europäischen Parlament. „Noch immer unterstützt nicht jeder diesen Vorschlag, aber wir haben eine erstaunlich breite Unterstützung.“